Am Wochenende liest der Papst auf freiem Feld westlich von Rio eine Messe. Dass die Wahl auf diesen Ort gefallen ist, mag logistische Gründe haben. Aber darüber hinaus ist der bettelarme Westen der Stadt genau die Region, in der die katholische Kirche am meisten Gläubige an ihre Konkurrenten von den Pfingstkirchen verloren hat. Denn anders als sich das die Bischöfe vorgestellt hatten, laufen ihnen die Schäfchen nicht in den mondänen, von Libertinage geprägten bürgerlichen Vierteln der brasilianischen Städte davon, sondern in den Armutsringen der Peripherien. In Rio sackt dort der Anteil der Katholiken auf rund 35 Prozent ab, während sich in den Reichenvierteln noch über zwei Drittel als Katholiken bezeichnen. Zwar ist Brasilien das Land mit der höchsten Zahl an Katholiken – 123 Millionen – , aber ihr Anteil an der Bevölkerung sinkt seit 1970. Einer Umfrage zufolge liegt er noch bei 57 Prozent. Viele Bürger vertreten Ansichten, die sich nicht mit der katholischen Doktrin vertragen. Wie eine Umfrage zeigt, sind 80 Prozent der 16- bis 29-Jährigen für die Pille für den Tag danach, 51 Prozent haben nichts gegen die Homo-Ehe, 74 Prozent finden, Pater sollten heiraten dürfen.

 

Junge Brasilianer folgen der katholischen Lehre kaum

Die Ankunft des Papstes war begleitet von Demonstrationen. Außer einem schwulen Massenküssen richteten sie sich jedoch nicht gegen den Papst, sondern gegen die ihn empfangenden Politiker. Im Wallfahrtsort Aparecida, den der Papst am Mittwoch besucht, fand die Polizei einen hausgemachten Sprengsatz. Trotz eines Aufgebots von 20 000 Soldaten und Polizisten blieb das Auto des Papstes – ein halb offener Geländewagen, der gegen die schwarzen Staatskarossen abstach – stecken, als begeisterte Gläubige es einkreisten. Der Papst nützte die Panne der überforderten Sicherheitsleute, um durch die heruntergekurbelten Fenster die Babys zu segnen, die ihm entgegengestreckt wurden. Vom Empfang war Franziskus berührt: „Ein Dank an Euch alle und alle Behörden für den großartigen Empfang in Rio“, twitterte der Papst am Dienstag.