Will der Papst einen neuen Umgang mit Homosexuellen? Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Seine Aufsehen erregenden Aussagen lassen Spielraum für Interpretationen.

Rom - Der Ton macht die Musik; bei Papst Franziskus ist es die Person, die altbekannte Kirchengesänge neu erklingen lässt. Als „wegweisende Öffnung“ hat man landauf, landab gefeiert, was er am Montag auf dem Rückflug von Rio de Janeiro über die Homosexualität sagte: „Wenn eine Person schwul ist, den Herrn sucht und guten Willens ist – wer bin ich, dass ich über ihn richte?“ Dann zitierte Franziskus die „schöne Erklärung dazu“ aus dem Katholischen Weltkatechismus, derzufolge „solche Personen nicht ausgegrenzt werden dürfen, sondern in die Gesellschaft integriert werden müssen“.

 

Hätte Franziskus den Katechismus, diese verbindliche Sammlung kirchlicher Lehrsätze, aus dem Spiel gelassen, ließe sich von einer Öffnung sprechen. So aber gibt’s ein Problem: Das Zitat ist ungenau. Damit bleibt vorerst offen, was der Papst wollte – und was die katholische Kirche nun daraus macht. Der Katechismus spricht nirgendwo von einer „Integration“ der Schwulen. Homosexuelle Handlungen verurteilt er als „Verstoß gegen das natürliche Gesetz“; sie seien „auf keinen Fall zu billigen“. Homosexuelle Tendenzen wiederum seien „objektiv ungeordnet“; entsprechenden Personen sei „mit Achtung, Mitgefühl und Takt zu begegnen“. Und dann: „Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen.“

Die Kirche kennt eine gerechte Diskriminierung

Das „ungerecht“ hat Franziskus weggelassen. Liegt darin etwa seine Öffnung der kirchlichen Lehre? Bisher kennt die katholische Kirche ja einen Unterschied zwischen gerechter und ungerechter Diskriminierung. Unter Joseph Ratzinger schrieb die Glaubenskongregation (1992) nicht nur das Übliche – nämlich, dass homosexuelle Partnerschaften keinesfalls der Ehe von Mann und Frau gesetzlich angeglichen werden dürften –, sondern auch, dass der Staat durchaus „das Recht auf Arbeit, auf Wohnung usw.“ für Homosexuelle einschränken dürfe. Schließlich stehe in dieser Frage ja „das Allgemeinwohl auf dem Spiel“. Und das zu sanktionierende Verhalten sei „objektiv als ungeordnet zu bezeichnen.“„Wer bin ich, dass ich über ihn richte?“, sagt Franziskus. Benedikt XVI. hat gerichtet: „Homosexualität ist mit dem Priesterberuf nicht vereinbar“, sagte er kurz und bündig, und unter seinem Pontifikat schloss die vatikanische Bildungskongregation (2005) alle jene Männer pauschal vom Priester- und Diakonentum aus, „die Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine sogenannte homosexuelle Kultur unterstützen.“

Ob das unter Franziskus aufgeweicht wird? Wird er eines Tages den Katechismus richtig zitieren oder über ihn hinausgehen? Fürs erste gilt folgende Faustregel: Wer als Schwuler in der Kirche keine „Lobbyarbeit“ für seine sexuelle Orientierung betreibt – das nämlich mag Franziskus nicht –, der darf sich sicher fühlen. Das heißt: am besten redet man nicht drüber. Doch damit kehrt die Kirche zurück zur traditionellen Wurzel vieler ihrer Übel. Und das mit einem so netten Papst an der Spitze...