Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

„Eine Arbeitsrede“, nennt das anschließend die „Washington Post“. 24 Stunden vorher hatte ein Altmeister gezeigt, wie es auch anders geht. Lässig, das Rampenlicht genießend, hatte sich ein von seiner zurückliegenden Herzerkrankung gut erholter Bill Clinton dem Publikum präsentiert. „Erinnert ihr euch an mich?“, so sagte jede Geste. Doch Obama hatte keine Wahl: Er brauchte Clinton – und musste seine Eitelkeiten in Kauf nehmen. Wie der Ex-Präsident mit dem Zeigefinger das Publikum zur Aufmerksamkeit mahnte, ab und zu vor einer schlitzohrigen Bemerkung auf die Unterlippe biss – das erzeugte einen Kontakt zum Publikum, wie ihn der vom Teleprompter ablesende Obama am Donnerstag nur selten erreichte.

 

Clever wandte Clinton ein legendäres Zitat Ronald Reagans, mit dem dieser 1980 dem demokratischen Präsidenten Jimmy Carter in einer Fernsehdebatte das Genick brach, gegen die Republikaner. „Da sind sie wieder!“, hatte Reagan gesagt, als Carter die angeblich abgestandenen, ökonomischen Grundsätze seiner Partei präsentierte. „Da sind sie wieder!“, sagte Clinton nun über das Wirtschaftsprogramm von Mitt Romney. Aus ihrer verfehlten Politik, die das Land 2008 fast in den Abgrund gerissen habe, hätten die Republikaner nichts gelernt. „Seit 1961 waren die Republikaner 28 Jahre im Weißen Haus,die Demokraten 24“, dozierte der Ex-Präsident genüsslich: „Was ist der Spielstand bei den Jobs? Republikaner: 24 Millionen. Demokraten: 42.“ Diese Zahl stimmte auch noch - was in diesem bisher von Lügen und Verzerrungen geprägten Wahlkampf fast schockierte.

Clintons Unterstützung als Rettungsanker

Es gibt keinen amerikanischen Politiker, auch nicht Obama, der wie Clinton das Wort „Arithmetik“ aussprechen kann, und damit einen Saal zum Toben bringt. Die Demokraten könnten im Gegensatz zu den Republikanern rechnen und wüssten, dass ohne Steuererhöhungen das US-Staatsdefizit nie zu reduzieren sei. Bei Obama würde das immer professoral wirken. Was der amtierende US-Präsident bisher nicht schaffte, nämlich die Fakten seiner Politik überzeugend zu präsentieren und die Lügen der Republikaner zu entlarven, erledigte Clinton locker in 50 Minuten. Für wie gefährlich die Republikaner die Erinnerung an den Mann halten, der mit einer Beliebtheitsquote von fast 70 Prozent die Konkurrenz in beiden Parteien in den Schatten stellt, zeigt die Tatsache, dass sie noch während der Rede eine Presseerklärung unter dem Titel herausgaben: „Obama ist kein Clinton“.

Obamas Wahlkampfstrategen hingegen, die bis zuletzt nervös auf Clintons Manuskript gewartet hatten, das der Vollblutpolitiker dann geflissentlich ignorierte, konnten sich am Ende erleichtert zurücklehnen. Clinton adelte Obama zu seinem würdigen Nachfolger: „Liebe Leute, ob die Amerikaner glauben, was ich gerade gesagt habe oder nicht, wird wohl die Wahl entscheiden. Ich möchte nur, dass ihr wisst: Ich glaube daran. Ich glaube daran mit ganzem Herzen.” Von Clinton geborgte Glaubwürdigkeit als Rettungsanker - vor vier Jahren hätte sich Barack Obama das nicht träumen lassen.

Doch wer auf die Zwischentöne achtet, der erlebt einen seltsam gedämpften, nachdenklichen Präsidenten. „Die Zeiten haben sich geändert. Ich bin nicht mehr der Kandidat, sondern der Präsident“, sagt Obama. Dafür erhält er donnernden Applaus. Doch sein Gesichtsausdruck bleibt ernst. Er erinnert an seine Fehler und an einen Satz seines Idols Abraham Lincoln, der einmal gesagt habe, dass er oft in Demut auf seine Knie falle, weil es für ihn keinen anderen Ort mehr gebe, wo er hinkönne. Die Menschen im Saal wissen nicht so recht, was sie mit einer solchen selbstkritischen Bemerkung anfangen sollen. Sie jubeln weiter, obwohl Obama versucht, den Euphorieausbruch zu dämpfen.

Das Idol der Delegierten hat seine mitreißende Redekunst nicht gänzlich verlernt. „Wir glauben an etwas, das Bürgersinn heißt“, sagt der Präsident: „Bürgersinn ist ein Wort, das an der Wiege unseres Landes stand – die Idee, dass dieses Land nur funktioniert, wenn wir die gewissen Verpflichtungen gegenüber einander und gegenüber künftigen Generationen akzeptieren.” Doch manchmal klingen die rhetorischen Muster allzu vertraut. Da steht keiner, der die Kampfsportart namens Politik lustvoll betreibt, wie es viele seiner Vorredner getan haben.

Keine unangenehmen Wahrheiten

Barack Obama kritisiert die Republikaner heftig, auch mit ein paar deftigen Pointen. Doch als er gleich zu Anfang seiner Rede, die Niederungen des Wahlkampfs beschreibt, da ist die Distanz überdeutlich: „Ernsthafte Themen werden zu kurzen Zitatenschnipseln. Die Wahrheit wird unter einer Lawine von Geld und Wahlwerbung begraben“, sagt Obama. Er hat weiter eine Mission. Er will weitermachen. Aber während Barack Obama den Republikanern durchaus zu Recht vorwirft, sie hätten bei ihrem Parteitag in Tampa keine konkreten politischen Pläne vorgelegt, bleibt der Präsident sie ebenfalls schuldig.

Er redet vom Abbau der Staatsschulden und von den längst in der Schublade verschwundenen Plänen einer einst von ihm selbst eingesetzten, überparteilichen Schulenkommission. Doch Obama riskiert keine unangenehmen Wahrheiten. Sollen, wie von der Kommission vorgeschlagen, vielleicht die Benzinsteuern steigen? Obama schweigt dazu. Soll die in der US-Mittelschicht beliebte Möglichkeit, sämtliche Hypothekenzinsen von der Steuer abzusetzen, eingeschränkt werden? Der Präsident sagt ausdrücklich nein. „Ihr könnt euch für eine Zukunft entscheiden, wo wir unser Defizit reduzieren, ohne dass die Mittelschicht dafür geradestehen muss“, verspricht der Präsident. Die Reichen sollen zahlen. Hoffnung und Wandel seien eben viel schwerer als gedacht: „Amerika, ich habe nie gesagt, dass diese Reise leicht sein würde. Und ich verspreche das auch jetzt nicht,“ sagt Obama.

Ex-Präsident Clinton stärkt Obama den Rücken

„Eine Arbeitsrede“, nennt das anschließend die „Washington Post“. 24 Stunden vorher hatte ein Altmeister gezeigt, wie es auch anders geht. Lässig, das Rampenlicht genießend, hatte sich ein von seiner zurückliegenden Herzerkrankung gut erholter Bill Clinton dem Publikum präsentiert. „Erinnert ihr euch an mich?“, so sagte jede Geste. Doch Obama hatte keine Wahl: Er brauchte Clinton – und musste seine Eitelkeiten in Kauf nehmen. Wie der Ex-Präsident mit dem Zeigefinger das Publikum zur Aufmerksamkeit mahnte, ab und zu vor einer schlitzohrigen Bemerkung auf die Unterlippe biss – das erzeugte einen Kontakt zum Publikum, wie ihn der vom Teleprompter ablesende Obama am Donnerstag nur selten erreichte.

Clever wandte Clinton ein legendäres Zitat Ronald Reagans, mit dem dieser 1980 dem demokratischen Präsidenten Jimmy Carter in einer Fernsehdebatte das Genick brach, gegen die Republikaner. „Da sind sie wieder!“, hatte Reagan gesagt, als Carter die angeblich abgestandenen, ökonomischen Grundsätze seiner Partei präsentierte. „Da sind sie wieder!“, sagte Clinton nun über das Wirtschaftsprogramm von Mitt Romney. Aus ihrer verfehlten Politik, die das Land 2008 fast in den Abgrund gerissen habe, hätten die Republikaner nichts gelernt. „Seit 1961 waren die Republikaner 28 Jahre im Weißen Haus,die Demokraten 24“, dozierte der Ex-Präsident genüsslich: „Was ist der Spielstand bei den Jobs? Republikaner: 24 Millionen. Demokraten: 42.“ Diese Zahl stimmte auch noch - was in diesem bisher von Lügen und Verzerrungen geprägten Wahlkampf fast schockierte.

Clintons Unterstützung als Rettungsanker

Es gibt keinen amerikanischen Politiker, auch nicht Obama, der wie Clinton das Wort „Arithmetik“ aussprechen kann, und damit einen Saal zum Toben bringt. Die Demokraten könnten im Gegensatz zu den Republikanern rechnen und wüssten, dass ohne Steuererhöhungen das US-Staatsdefizit nie zu reduzieren sei. Bei Obama würde das immer professoral wirken. Was der amtierende US-Präsident bisher nicht schaffte, nämlich die Fakten seiner Politik überzeugend zu präsentieren und die Lügen der Republikaner zu entlarven, erledigte Clinton locker in 50 Minuten. Für wie gefährlich die Republikaner die Erinnerung an den Mann halten, der mit einer Beliebtheitsquote von fast 70 Prozent die Konkurrenz in beiden Parteien in den Schatten stellt, zeigt die Tatsache, dass sie noch während der Rede eine Presseerklärung unter dem Titel herausgaben: „Obama ist kein Clinton“.

Obamas Wahlkampfstrategen hingegen, die bis zuletzt nervös auf Clintons Manuskript gewartet hatten, das der Vollblutpolitiker dann geflissentlich ignorierte, konnten sich am Ende erleichtert zurücklehnen. Clinton adelte Obama zu seinem würdigen Nachfolger: „Liebe Leute, ob die Amerikaner glauben, was ich gerade gesagt habe oder nicht, wird wohl die Wahl entscheiden. Ich möchte nur, dass ihr wisst: Ich glaube daran. Ich glaube daran mit ganzem Herzen.” Von Clinton geborgte Glaubwürdigkeit als Rettungsanker - vor vier Jahren hätte sich Barack Obama das nicht träumen lassen.