Die Linkspartei hat das verflixte siebte Jahr hinter sich. Beim Parteitag vermeidet die Partei offenen Streit. Aber der Frieden bleibt brüchig, und ein Machtzentrum fehlt nach wie vor, analysiert die StZ-Politikredakteurin Bärbel Krauß

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - In drei Wochen jährt sich die Vereinigung von ostdeutscher PDS und westdeutscher Wahlalternative WASG. Das verflixte siebte Jahr hat die gesamtdeutsche Linke mit dem Parteitag vom Wochenende und der Wahl der Führungsspitze hinter sich gebracht. Vor zwei Jahren in Göttingen stand es mit der Ehe zwischen West- und Ost-Linken Spitz auf Knopf. Davon ist die gesamtdeutsche Partei heute weit entfernt. Das ist nicht zuletzt ein Erfolg des Führungsduos, das im Falle des Stuttgarter Gewerkschafters Bernd Riexinger mit sehr gutem und im Fall der Sächsin Katja Kipping mit ordentlichem Ergebnis im Amt bestätigt wurde. Bestätigt wurde damit auch ihr ausgleichender, über den Strömungen schwebende Führungsstil. Das ist für die Weiterentwicklung der Linken Fluch und Segen zugleich.

 

So ungetrübt, wie die Führungsspitze das erhofft hatte, fällt die Bilanz nach dem Delegiertentreffen nicht aus. Dass der innere Frieden nicht konsolidiert, sondern nach wie vor brüchig ist, lässt sich an weiteren Personalentscheidungen ablesen.

Beim Personal zeigen die Delegierten, was eine Harke ist

Erstens zeigten die Delegierten den Parteichefs bei der Wahl des Schatzmeisters, was eine Harke ist: Obwohl Kipping und Riexinger dem bisherigen Amtsinhaber Raju Sharma fast unverhüllt ihr Misstrauen aussprachen, wurde ihr Favorit Thomas Nord erst im zweiten Wahlgang ins Amt gehievt. Die Bereitschaft der Partei, ihrer Führung zu folgen, nur weil sie es will, ist wenig ausgeprägt. Das dämpft Hoffnungen, das Duo könnte in der zweiten Amtszeit kraft seiner Autorität mehr zur Lösung der schwelenden Kursfragen und zur Profilbildung der Linken beitragen als bisher.

Zweitens fühlen sich die ostdeutschen Pragmatiker in der obersten Führungsetage nicht ausreichend repräsentiert. Sie waren offenbar kurz davor, sich allesamt aus dem Parteivorstand zurückzuziehen, als ihr Kandidat, der Berliner Dominic Heilig, bei der Wahl der Vize-Parteichefs durchgefallen war. Die Reformer schmerzt, dass die Strömung des extrem linken Flügels neben der hessischen Fraktionschefin Janine Wissler (die das mit Abstand beste Ergebnis unter den Stellvertretern erzielte) auch den Freiburger Friedensaktivisten Tobias Pflüger in der Parteispitze verankern konnte. Der im Amt bestätigte Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn, der sich sehr dafür eingesetzt hatte, dass die Reformer von jetzt an einen Parteivize stellen, erwog zwischenzeitlich sogar, seine Kandidatur zurückzuziehen. Nun bleibt er zwar Geschäftsführer; aber es wurden neue Wunden geschlagen.

Auch Fraktionschef Gregor Gysi bekommt einen Dämpfer

Ins Bild von den geschwächten Reformern passt auch, dass der Parteitag dem unangefochtenen Oppositionsführer im Bundestag, Gregor Gysi, die „Empfehlung“ aussprach, er möge bis Ende des Jahres eine Doppelspitze in der Fraktion installieren. Das ist Gysi so lieb wie Spitzgras und nützt seiner Stellvertreterin Sahra Wagenknecht. Die Linksauslegerin will schon lange gleichberechtigte Fraktionschefin neben Gysi werden. Der lehnt die Doppelspitze bisher ab. In seiner Rede ließ Gysi die Sache unerwähnt. Dafür erteilte Parteichef Riexinger dem Ansinnen eine Absage. Die Fraktionsspitze sei „bis Herbst 2015 gewählt. Dabei bleibt es“. Dennoch ist Gysi durch den Parteibeschluss geschwächt.

Doch wohin steuert die Linke künftig? Solange ihr ein strategisches Zentrum fehlt, das die Kraft hat, Fragen des politischen Kurses zur Entscheidung zu treiben, trudelt sie einfach weiter. Vielleicht fasst sie sogar halbwegs ausgewogene Beschlüsse zur Ukraine-Politik. Sie jubelt aber jenen Rednern umso lauter zu, je plakativer ihre Forderungen nach Frieden, je maßloser die Kritik am Westen und je kritikloser die Haltung zu Russland formuliert werden.