Mit großen Zielen ist der VfB im Sommer gestartet, fühlte sich zu Höherem berufen, ehe er böse in die Niederungen der Tabelle abrutschte. Das Schlüsselspiel am Mittwoch in Nürnberg ist auch von den eigenwilligen Trainern Stevens und Verbeek geprägt.

Stuttgart - Sagen wir: Kellerduell. Oder Zitterspiel. Es kursiert auch der Begriff Abstiegsgipfel, wenn von der Begegnung des VfB Stuttgart am Mittwochabend beim 1. FC Nürnberg die Rede ist. Was ja an und für sich ein Widerspruch ist. Doch so eine Fußballsaison kann voller Widersprüche stecken – und wer wüsste das aktuell besser als der schwäbische Bundesligist.

 

Mit großen Zielen ist der VfB vergangenen Sommer gestartet, fühlte sich lange zu Höherem berufen, ehe er böse in die Niederungen der Tabelle abrutschte und nun Teil zwei der vielleicht wichtigsten englischen Woche seiner Clubgeschichte bewältigen muss. „Wir wissen, dass es noch acht Endspiele sind“, sagt Huub Stevens. Und der Stuttgarter Trainer sagt es so, wie man den 60-jährigen Niederländer aus seinen alten Zeiten kennt. Mit strengem Blick, rauer Stimme und keinen Einspruch duldend.

Nach dem ersehnten Sieg zuletzt gegen den Hamburger SV soll sich auf dem Vereinsgelände keinesfalls schon Zufriedenheit breitmachen. „Wenn ich das hier in den Fluren spüren würde, dass einer denkt, wir sind schon durch, dann grätsche ich ihn direkt ab“, sagt der Manager Fredi Bobic. Denn der VfB steht in Nürnberg vor einem erneuten Schlüsselspiel, dessen Bedeutung ähnlich einzuschätzen ist wie die essenzielle Heimpartie zuvor gegen den HSV. Stevens weiß das. Und er weiß auch, dass, wenn die Mannschaft nur einen Deut nachlässt, es im Grundigstadion nicht reichen wird – und damit auch kaum zum Klassenverbleib.

„Wir schauen nicht weiter als bis zu diesem nächsten Endspiel“, sagt der Trainer. Zum Abschluss dieser so bedeutsamen Woche für den VfB kommt Borussia Dortmund nach Stuttgart. Ein Spiel, das als Bonusspiel für den Tabellen-15. gelten könnte – wenn er denn zuvor dreifach punktet. Wenn nicht, intensivieren sich die Rechenspiele, was im Abstiegskampf immer ein Zeichen von schwindender Hoffnung ist. Stevens arbeitet deshalb weiter an seinem Stabilitätspakt mit den Spielern. Mit vielen Gesprächen und taktischer Feinjustierung soll die Defensive gestärkt und die Offensive nicht vernachlässigt werden. „Das Wichtigste ist aber, dass wir die Unsicherheit weiter herausbekommen“, sagt der Trainer, der trotz des 1:0 gegen den HSV die enormen Schwankungen „zwischen den guten und den schlechten Momenten“ im VfB-Spiel moniert.

Die Stuttgarter Elf streute diese permanent – und fast so flüssig, wie Stevens in seinen Realitätssinn stets auch Charme hineinmischt. So schlägt heute zwar die Stunde der Holländer auf der Trainerbank, doch für Stevens ist das Oranje-Duell bestenfalls eine Nebensächlichkeit. „Ich kenne Gertjan Verbeek, und wir pflegen ein gutes, kollegiales Verhältnis. Aber wir tauschen uns nicht über unsere Trainingsmethoden und Spielanalysen aus“, sagt Stevens.

Ähnlich wie der VfB-Coach ist sein Landsmann ein Ordnungsfanatiker. Es darf ein Spiel, aber nicht die Ordnung verloren gehen. Im Gegensatz zu Stevens eilt Verbeek aber nicht der Ruf voraus, dass die Null stehen muss. Der Club-Trainer will die Liga stürmisch halten. In beiden Einschätzungen steckt aber wohl nicht nur Wahrheit, sondern ebenso einiges an Klischee.

Denn beide Fußballlehrer müssen sich vor allem den Herausforderungen des Alltags stellen. In Stuttgart ist das die noch lange nicht verarbeitete Misserfolgsserie von acht Niederlagen und zwei Unentschieden nacheinander, ehe Stevens übernahm und in zwei Spielen mit dem VfB vier Punkte sammelte. In Nürnberg muss Verbeek, der beim 1:1 im Hinspiel in Stuttgart debütierte, nach einem Zwischenhoch und zuletzt vier Niederlagen nun wieder verstärktes Krisenmanagement betreiben.

Körperlich wähnt Verbeek sein Team im Nachteil, weil es nach dem 2:5 gegen Frankfurt nur zwei Tage zur Erholung hatte, während der VfB einen Tag länger ruhte. Und psychologisch spricht ja nach den letzten Resultaten auch einiges für die Stuttgarter, zumal Verbeek sagt: „Ich habe nicht nur gute Erinnerungen an Huub, denn ich habe gegen ihn nicht nur gewonnen.“