Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Für ihren Ikonenstatus stehen nicht zuletzt die unzähligen Querverweise und Kollaborationen, auf die sowohl Patti Smith als auch Marianne Faithfull zurückblicken dürfen. Madonna, Courtney Love und Shirley Manson nennen Smith als ihr großes Idol, The Smiths – mit ihr weder verwandt noch verschwägert – haben ein Lied von ihr abgekupfert, KT Tunstall, die Waterboys und die Go-Betweens haben ihr eigene Stücke gewidmet, Sonic Youth sogar ein ganzes Album nach ihr benannt; umgekehrt hat sie nur selten mit anderen Branchengrößen zusammengearbeitet, etwa beim Solodebüt des Chili-Peppers-Bassisten Flea. Bei Faithfull ist es gerade umgekehrt, die Sängerin liebt die Wilderei in fremdem Repertoire ebenso wie Gastauftritte in illustren Kreisen – man höre nach auf dem Amnesty-International-Sampler „Chimes of Freedom“, dem Gainsbourgh-Revisited-Projekt (im Duett mit Sly & Robbie!) oder Roger Waters’ Liveeinspielung von „The Wall“.

 

Beide suchen die Nähe zu den schönen Künsten und leben sie aus. Als zartbesaitete Elfen werden die Tochter einer Zeugin Jehovas und die frühere Klosterschülerin dereinst allerdings gewiss nicht in die Popgeschichte eingehen. Weder die im wahrsten Sinne des Wortes rotzige Punkpoetin, die live noch immer gern kein bisschen zart die Saiten vom Gitarrengriffbrett reißt. Noch die Edeldame mit der drogengegerbten Stimme, die tatsächlich den Titel Baronin von Sacher-Masoch führen dürfte (seit sie ihn 2009 ererbt hat), darauf aber getrost pfeift. Lieber nimmt sie für sich das Privileg in Anspruch, im ersten Film überhaupt mitgespielt zu haben, in dem das Wort „Fuck“ verwendet wurde („I’ll Never Forget What’s ‘Is Name“, 1967).

Ans Aufhören denken sie noch lange nicht

Überhaupt, von Faithfulls in jeder Hinsicht handwerklicher Meisterleistung als Hauptdarstellerin in „Irina Palm“, dem Berlinale-Hit von 2007, müsste man ebenso noch erzählen wie von Patti Smiths spannendem, multimedialem Projekt „The Coral Sea“ mit Kevin Shields von My Bloody Valentine. Die Lebensläufe dieser beiden Ausnahmekünstlerinnen lesen sich abenteuerlich – aber das haben sie ja längst alles auch schon selbst in ihren Autobiografien geschildert.

Gesendet seien hier also die besten Glückwünsche. Wie Marianne Faithfull ihren runden Geburtstag an diesem Donnerstag zu begehen gedenkt, ist allerdings nicht bekannt – zuletzt trat sie vor einem Monat bei den Wiedereröffnungskonzerten im Pariser Club Bataclan auf. Ein Livealbum zur Feier ihres fünfzigjährigen Bühnenjubiläums hat sie im September veröffentlicht, ein neues Album will sie in rund einem Jahr auf den Markt bringen. Patti Smith hingegen stand zuletzt vor gut zwei Wochen bei der Nobelpreisverleihung in Stockholm als Vertreterin von Bob Dylan im Rampenlicht. Ihren Geburtstag am Freitag begeht sie, wie es sich für eine Musikerin gehört, mit einem Konzert in ihrer Geburtsstadt Chicago, ehe sie im April zu einer Australientournee aufbricht. Nach baldigem Ruhestand klingt das nicht – weder im einen noch im anderen Fall.