Vom Vorwurf des Opportunismus entlastet ihn die Ausstellung aber keineswegs. Dabei war der gebürtige Elsässer Paul Bonatz (1877-1956) ein Kosmopolit, dem völkische Ideale fern lagen. Voigt zeichnet seinen Lebensweg als den eines Architekten nach, "der immer bauen wollte, ohne Rücksicht darauf, wo die Aufgaben herkamen". Mehrmals rettete er sich damit über die Brüche der Geschichte hinweg: die Novemberrevolution 1918, das Ende der Weimarer Republik und schließlich den Untergang NS-Deutschlands. Mit den Nationalsozialisten arrangierte sich Bonatz aber dann doch zu lange, um nach seinem Absprung ins türkische Exil 1944 noch als Hitler-Gegner durchzugehen.

Zwar hatte der "Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen", Fritz Todt, den parteilosen, aber im Ingenieurbau ungemein erfolgreichen Bonatz schon 1934 zur Mitarbeit an den Reichsautobahnen aufgefordert. Doch der Brückenbau, der ihm international zu hohem Ansehen verhalf, genügte dem sich selbst ironisch als "Pontifex maximus" titulierenden Architekten auf Dauer nicht. Er wollte bei den ganz großen Aufgaben mitmischen und schaffte es auch, mit dem Bau des neuen Münchner Hauptbahnhofs beauftragt zu werden. Doch die Gigantomanie des Projekts - geplant war eine Kuppel mit einem Durchmesser von 285 Metern - wurde ihm unheimlich.

Giftige Gratulation


Einen mit der türkischen Regierung vereinbarten Arbeitsaufenthalt nutzte er darum, sich abzusetzen. Eines der skurrilsten Dokumente der Schau ist ein Gedicht von Rudolf Wolters, mit dem Speers ehemaliger Stellvertreter dem Exilanten Bonatz zum Geburtstag gratulierte und sich in schwindelerregenden Reimen zugleich dafür rächte, dass dieser ihm nach dem Krieg eine entlastende Aussage verweigert hatte: „Mit des Lorbeers Gold umwürken/heute deine Stirn die Türken..."

Zweite Station der Bonatz-Ausstellung wird die Tübinger Kunsthalle, nachdem das DAM auf der Suche nach einem Kooperationspartner in Stuttgart auf allgemeines Desinteresse gestoßen war. Die Tübinger haben eine Universitätsbibliothek (1912) von Bonatz mit einem berückenden Lesesaal. Auf der Rückseite wurde ihr in den Sechzigern zwar ein grobianischer Magazintrakt angeklebt, aber auf die Idee die Bibliothek zu beschneiden, ist dort noch niemand gekommen. Warum auch? Nur im Katechismus der notorischen Landes- und Abrisshauptstadt Stuttgart steht, dass man einem Bauwerk die Flügel abhacken kann und dann mehr übrigbleibt als eine lahme Ente.