Fraunhofer-Institute gründen Zentrum für individuelle Produkte und Dienstleistungen. Konzentriert haben sich die Fachleute bei ihrer Initiative auf die Bereiche Mobilität, Wohnen und Gesundheit.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Luxusgüter müssen kein Luxus bleiben“, meint Thomas Bauernhansl. Der Leiter des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) nennt ein Beispiel: „Der maßgeschneiderte Anzug ist heute viel teurer als einer von der Stange“ – was aber nicht so bleiben müsse. „Wir wollen erreichen, dass Produkte für breite Bevölkerungskreise so preiswert werden wie Einzelstücke“, sagt der Sprecher des Fraunhofer-Zentrums in der Landeshauptstadt. Genau dies ist auch eines der Ziele von Industrie 4.0 – ein individuell auf einen Konsumenten zugeschnittenes Teil soll möglichst nicht teurer sein, als wenn es tausendfach produziert würde.

 

Doch Bauernhansl und seine Mitstreiter gehen noch einen Schritt weiter: Der Konsument soll möglichst viele Daten über sich selbst liefern, damit die Industrie erfährt, was er denn wirklich will. So könnte er etwa über das Internet seine Körpermaße weitergeben und erhielte einen Maßanzug, ohne das er eigens einen Schneider aufsuchen muss. Für einen solchen Konsumenten haben die Stuttgarter Wissenschaftler immerhin schon einen Namen kreiert – der Mensch der Zukunft könnte nach ihren Vorstellungen vom Konsumenten zum „Prosumenten“ mutieren, weil er durch die Lieferung seiner Daten auch Einfluss etwa auf die Produktion in Fabriken nehmen könnte: „Ein Auto könnte dann noch viel individueller gestaltet werden, als dies jetzt der Fall ist“, meint Manfred Dangelmaier vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft Organisation (IAO). Ähnliches könnte durch flexible Wände mit Wohnungen geschehen, meint Philipp Leistner, Chef des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik – je nachdem, ob ein Kinderzimmer nötig sei oder ob nach dem Auszug der Sprösslinge ein größeres Wohnzimmer eingerichtet werden soll.

Konzentriert haben sich die Fachleute bei ihrer Initiative auf die Bereiche Mobilität, Wohnen und Gesundheit. „Man könnte individuelle Arzneien oder Heilverfahren entwickeln“, meint Katja Schenk-Layland, die Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik.

Die Industrie braucht die Daten des Kunden

Bei alledem, das räumen die Wissenschaftler durchaus ein, müsse der umworbene Konsument mitmachen. Mögliche Verbesserungen gegen Datenlieferung – so könnte umschrieben werden, was sich die Forscher auf die Fahnen geschrieben haben. Beim Datenschutz sei auch der Gesetzgeber gefragt, der einen entsprechenden Rahmen schaffen müsse. Und zudem liege die letzte Entscheidung beim Menschen, nicht bei einer Software, die selbstständig Fenster öffne.

Für ihren Blick in die Zukunft wollen die Forscher in Stuttgart für 40 Millionen Euro ein Gebäude hochziehen, Finanzierungszusagen von Bund und Land gibt es – und zudem Anfragen bei Land und Industrie wegen der auf zwölf Millionen Euro geschätzten Kosten für Projekte. „Was wir dort erforschen, wird die Zukunft der Wirtschaft sein“, sagt Bauernhansl, „vielleicht ist das dann Industrie 5.0.“