Um mit Schwung in ein neues Jahr hinauszublicken, nehmen wir erst einmal Anlauf: 100 Jahre Zukunftsvisionen im Schnelldurchlauf  

 

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Im Oktober 1913 veröffentlichte die Salt Lake Tribune in Utah einen Ausblick auf die kulinarischen Genüsse der Zukunft: radioaktiv hochgezüchtete Nutzpflanzen und Riesen-Froschsteaks sollten nach aktuellen Experimenten britischer Wissenschaftler die Nahrungsfülle der Zukunft garantieren. 

Der so befüllte Leib - jedenfalls der Damen - sollte, so in den Dreissigerjahren entworfene Zukunftsmode im Jahre 2000, in transparente Gewebe gehüllt sein (der Transparent-Look kam dann bereits Anfang der Siebziger). Alternativ sollten Kleider über einen „elektrischen Gürtel“ verfügen (eine Art körpernahe Klimaanlage) oder aus Aliminium gemacht sein; dazu trug die Frau von Morgen eine Glühbirne im Haar.

In der Nachkriegszeit und der Aufbruchstimmung der Fünfzigerjahre entfalteten sich neue Vorstellungen von dem, „was unsere Kinder von Wissenschaft und Technik zu erwarten haben“. Hierzu die Zeitschrift „Hör Zu!” vom Januar 1950: „In atemberaubenden Tempo entwickeln sich Wissenschaft und Technik. Wohin wird dieser Kurs führen? Was wird in 50 Jahren sein? Im Jahre 2000? ... Wir nehmen an, daß Wissenschaft und Technik in ihrer heutigen Form sich folgerichtig weiterentwickeln“. Prognostizierte Ergebnisse: Hefe statt Fleisch, Kunststoff statt Gummi, Roboter tun die Arbeit, „Elektrizität wird von den großen Atom-Kraftwerken sehr billig geliefert“ und, erstaunlich: „Die berühmte Raketenlandung auf dem Mond ist auch im Jahre 2000 noch nicht geglückt.“

Der Blick in die Kristallkugel wurde damals bereits werblich genutzt, worunter naturgemäß die Vielfalt der Vision zu leiden hatte: Ich sehe ein Auto in deiner Zukunft kam zwar einem verbreiteten Konsumwunsch entgegen. Der Mensch sollte sich dann aber vielleicht doch auch noch gefragt haben: Und das ist alles? 

Mit deutlich weniger prognostischem Pathos, dafür erheblich mehr Unterhaltungswert befaßten sich die Schöpfer der aberwitzigen Tex-Avery-Zeichentrickfilme 1951 auf (heute politisch ziemlich unkorrekte Weise) mit der Frage nach dem Auto der Zukunft.

Auch Immobilien wollten an der Zukunft teilnehmen - hier das diesem Wunsch entsprungene erste Eichler-X-100-Haus, benannt nach seinem Erfinder Joseph Eichler, das 1956 im kalifornischen San Mateo errichtet wurde. Zu dem hypermodernen Design gehörte ein drehbarer offener Kamin, eine Wand aus Glas, blasenförmige Deckenlampen, Wohnzimmergärten sowie elektrisch betriebene Schiebetüren. 

Dazu ein bis heute beliebter Projektionsbereich für Innovativ-Künftiges: die Küche. In den Fünfzigerjahren hörte sich das so an: „Die Wissenschaft weiß nun die Antwort auf die Frage: Was ist eine Küche?“ Das Resultat: The Dream Kitchen of the Future

1962, im Morgenrot des Kommunikationszeitalters, stellten sich die legendären Bell Laboratories in einem Film zur Weltausstellung in Seattle vor: Century 21 Calling, stilecht beginnend mit einer Fahrt per Einschienenbahn. Dann aber: Telefone mit Anrufweiterleitung und Selbstwahl, Pager, Abruf von Nachrichten und Wetterinformationen, Computerdatenbanken, digitale Aufzeichnung privater Informationen – die Zukunft war da! 

Hier noch, wie man sich in den Swinging Sixties in Großbritannien die technische Zukunft vorstellte – Mobiltelefonie mit noch etwas grobschlächtiger Gerätschaft inklusive. Und so sahen die Blicke weit nach vorne im Jahrzehnt darauf aus: Buchumschläge von Science-Fiction-Literatur aus den Siebzigern.

1981 gab es bereits Menschen, die wußten, was ein Modem ist und sogar eines besaßen, nebst zugehörigem Microcomputer. „Computernetze“ hieß das neue Zauberwort; der Begriff „Internet“ war damals noch einer Handvoll verschworener Experten vorbehalten. Ein sehenswerter Bericht des Lokalsenders KRON-TV aus San Francisco machte 1981 die in Greifweite gerückte Zukunftsvision der Tageszeitung am Computerbildschirm anschaulich: „Stellen Sie sich vor, Sie setzen sich mit ihrem Frühstückskaffee hin und schalten Ihren Homecomputer ein, um die Zeitung zu lesen. Das ist heute nicht mehr so weit hergeholt wie es sich vielleicht anhört.” 

1994, das Internet war vom Himmel gefallen. In einem Video, das tausendfach verbreitet wurde, erläuterten Richard Seltzer und Berthold Langer von der Digital Equipment Corporation (DEC) das Geschäftspotential des World Wide Web, das zu dieser Zeit für Business-Leute nur schwer vorstellbar war. 

Was danach in dem Jahrzehnt zwischen 2000 und 2010 an zukunftsförmigen technologischen Veränderungen stattfand, macht diese Gegenüberstellung zweier Computer anschaulich. 

Rechner und das Netz berühren immer mehr Lebensbereiche. Hier ein Blick in die Zukunft des Internet, abgehandelt im Jahr 2006 an der Frage der Netzneutralität

Ein Entwurf aus dem Jahr 2008 – sieht so die Zukunft der Internet-Suche aus? Augmented-Reality-Anwendungen und Konzepte wie Google Glass haben diese Vorstellung innerhalb weniger Jahre Wirklichkeit werden lassen. Hier ein Behelfs-Gadget für Diejenigen, die noch keine Entwickler- oder Promi-Version von Google Glass ergattern konnten.

Inzwischen hat das Post-PC-Zeitalter begonnen. Die Maus-Spuren enden im Nichts, die Spuren eines Kampfes sind noch zu sehen. 

Und hier ist es wieder, in einer zeitgemäßen Version von 2010: das Haus der Zukunft, proppenvoll mit intelligenter Gerätschaft. Warum nur will es niemand so recht haben? Oder ist die Zukunft eher gläsern und leicht, so wie sie uns in A Day Made of Glass von 2011 verheissen wird?

Wir werden es sehen – und uns zugleich immer an dem einzig möglichen Ort aufhalten, der uns bleibt: der Gegenwart. Hier zum Schluß noch ein phantastischer Blick darauf, mit leicht veränderter Perspektive. Denn die Gegenwart, in der wir leben, sie war einmal The Astounding World of the Future

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Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: