Viele Pflegeheime in Stuttgart werben Mitarbeiter aus dem Ausland an. Ein Teil der Angeworbenen aber ist wieder in die alte Heimat zurückgekehrt.

Stuttgart - Vor einem Jahr ist Pasquale Calzavara nach Stuttgart gekommen. Inzwischen hat sich der 28 Jahre alte Italiener an den schwäbischen Hang zur Verniedlichung gewöhnt. „Ich weiß jetzt, was ein Sofale ist, und kann die Bewohner auf Wunsch hinführen.“ Calzavara ist einer von 43 Südeuropäern, den die Evangelische Heimstiftung in den vergangenen drei Jahren als Altenpfleger angeheuert hat. Und er gehört zu denen, die geblieben sind. Von den 43 angeworbenen Migranten sind noch 23 in der Region Stuttgart, die anderen sind in ihre Heimat zurückgekehrt. „Mein Freund ist gegangen, weil er eine Stelle in einem Krankenhaus in Norditalien gefunden hat“, erzählt Calzavara. Aber es sind nicht nur Jobangebote aus der Heimat, die die Zuwanderer zur Rückkehr bewegen: „Oft sind es auch falsche Erwartungen“, erzählt Marion Aichele, die bei der Heimstiftung für die Anwerbung von ausländischen Fachkräften zuständig ist.

 

Es ist längst nicht nur die Heimstiftung, die Fachkräfte aus dem Ausland holt, inzwischen überschreiten viele Altenhilfeträger Grenzen, um ihren Bedarf an Personal zu decken. „Wir müssen uns zur Decke strecken, um genügend Fachkräfte zu finden“, sagt auch Arnd von Boehmer, Geschäftsführer der Awo Sozial gGmbH. Die Krux, die Aichele im Falle der Südeuropäer sieht, beschreibt sie so: „Die jungen Leute kommen mit einem abgeschlossenen Studium in der Krankenpflege zu uns, können Infusionen legen und Blut abnehmen. Das aber macht in Deutschland der Arzt, dafür sind die Migranten damit beschäftigt, Bewohner zu waschen.“ Anders als die duale Ausbildung in Deutschland ist die Kranken- und Altenpflege in Italien, Spanien und Portugal ein akademisches Studium. „Wir erklären den Zuwanderern bei den Bewerbungsgesprächen ausführlich, welche Aufgabe sie im deutschen Pflegeheim erwarten, trotzdem merken viele erst in der Praxis, dass es nicht passt“, so Aichele.

„Bei den Bewohnern überaus beliebte Mitarbeiter“

Für Bernhard Schneider, den Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, ist das Anwerbeprogramm der vergangenen Jahre dennoch ein Erfolg: „Ich bin mit der Quote hochzufrieden. Diejenigen, die bleiben, sind engagierte, bei den Bewohnern überaus beliebte Mitarbeiter.“ Die Heimstiftung werde deshalb auch weiterhin in Italien, Portugal, Spanien und eventuell auch im Kosovo anwerben. Allerdings haben die Verantwortlichen einige Koordinaten verändert. Beispielsweise werden die Bewerbungsgespräche nicht mehr in den Heimatländern geführt, sondern in Stuttgart. „Dann sind die Hürden höher. Wer für ein Bewerbungsgespräch selbstständig nach Stuttgart kommt, zeigt eine höhere Integrationsbereitschaft“, sagt Bernhard Schneider.

Ihre Erwartungen gedämpft haben auch die Verantwortlichen des Wohlfahrtswerks Baden-Württemberg, das mit Hilfe von privaten Vermittlern in den vergangenen Monaten ein Dutzend Zuwanderer aus Osteuropa angeworben hat. „Wir mussten erst einmal lernen, bei den Vermittlungsagenturen die Spreu vom Weizen zu trennen“, erklärt die Vorstandsvorsitzende Ingrid Hastedt. Schwierig für den Arbeitgeber sei auch, dass viele der Angeworbenen nach kurzer Zeit in die Krankenpflege wechseln. „Wir haben hohe Rekrutierungskosten, die Gefahr aber ist groß, dass die Leute uns schnell wieder verlassen, weil die Arbeit in einer Klinik eher ihren Vorstellungen entspricht als die Grundpflege in einem Heim“, sagt Hastedt. Die Arbeiterwohlfahrt in Stuttgart, die seit Längerem mit einer polnischen Vermittlungsagentur kooperiert, hat ein anderes Problem: Die Firma schickt längst nicht so viele Pflegekräfte wie vereinbart. „Offenbar gehen viele junge Fachkräfte lieber nach England als zu uns“, berichtet Arnd von Boehmer.

Im August kommen acht Pflegekräfte aus China

Trotz aller Hindernisse strecken alle Träger auch weiter ihre Fühler ins Ausland aus. Das Wohlfahrtswerk erwartet noch im August acht chinesische Pflegekräfte, die bereits ein Jahr lang in ihrer Heimat auf ihre Arbeit in Deutschland vorbereitet worden sind. Ziel ist, innerhalb eines Jahres ihre Anerkennung als Pflegefachkraft zu erreichen. Damit dies gelingt, werden die jungen Chinesen erst einmal im Bildungszentrum des Trägers geschult, nicht nur in Deutsch, sondern beispielsweise auch im deutschen Arbeitsrecht und den hiesigen Hygienestandards. Zeitweise werden sie in den Einrichtungen arbeiten, dafür erhalten sie ein tarifliches Gehalt von 1900 Euro brutto im Monat. Die Vorstandsvorsitzende ist zuversichtlich: „Die chinesischen Zuwanderer bringen eine ungeheure Leistungsbereitschaft und viel Ehrgeiz mit“, so Hastedt.

Bereits in Stuttgart sind seit September vergangenen Jahres 36 Pflegekräfte aus Vietnam, die alle einen Bachelor als Krankenpfleger vorzuweisen haben und derzeit eine verkürzte Ausbildung zur deutschen Altenpflegefachkraft absolvieren. Parallel dazu lernen sie Deutsch: „Das ist ein hartes Programm, aber die Schüler sind sehr motiviert“, sagt Wolfgang Haug, der Leiter der Stuttgarter Altenpflegeschule des Eigenbetriebs Leben und Wohnen. Er ist überzeugt, dass alle 36 den Abschluss schaffen können. „Wir haben in den beiden vietnamesischen Klassen null Fehlzeiten, das habe ich noch nie erlebt“, sagt Haug.

Eigener Lehrplan für vietnamesische Pflegekräfte

Für die Schule sind die asiatischen Zuwanderer eine Herausforderung: „Wir mussten den Lehrplan umstellen, und wir mussten lernen, bildhaft zu unterrichten, weil die Schüler mit sehr viel weniger Deutschkenntnissen ankamen als erwartet.“ Auch war im Lehrplan die Grundpflege nicht mehr vorgesehen, dann aber stellten die Lehrer fest, dass die vietnamesischen Krankenpfleger noch nie an einem Pflegebett gestanden hatten. „Dafür konnten wir sehr viel Medizinisches weglassen“, so der Schulleiter. Inzwischen wurde nicht nur der Lehrplan umgestellt, sondern der Rahmen für das Anwerbeprogramm insgesamt verändert. Die Krankenpfleger erhalten in ihrer Heimat Vietnam deutlich mehr Deutschunterricht und die anschließende Ausbildung in Stuttgart wird drei Jahre umfassen. Jochen Treiber, der für die Caritas das Haus Adam Müller-Guttenbrunn leitet und dort einen vietnamesischen Schüler beschäftigt, hat gute Erfahrungen gemacht: „Die freundliche und offene Art kommt bei den Senioren gut an.“ Nur ein Bewohner habe sich irritiert gezeigt, weil der asiatische Pfleger immer lächele.