Keine 90 Minuten dauerte das Konzert von Pharell Williams in der Stuttgarter Schleyerhalle. Doch seine Performance vor rund 8500 Zuschauern konnte sich sehen lassen, findet der StZ-Kritiker Ulrich Bauer.

Stuttgart - Was es wohl damit auf sich hat, dass er vor den 8500 Besuchern die ganze Zeit in einem T-Shirt mit dem Aufdruck „Sonic Youth“ einherspringt? Mit der Klangwelt dieser anarchischen Band des vergangenen Jahrhunderts hat Pharrell Williams ja wohl so gar nichts am Hut. Apropos Hut. Natürlich hat er zunächst wieder diesen dämlichen Designer-Hut auf, mit dem er wie ein Mischung aus Förster und Cowboy aussieht. Scheint eine Art Markenzeichen geworden zu sein. Braucht man heutzutage. Williams ist ja überaus clever.

 

Als Produzent ist der 41-Jährige schon seit mehr als einer Dekade bei solchen Megastars wie Madonna, Justin Timberlake oder Jay-Z beliebt. Doch nach Anlaufversuchen hat er es erst jetzt unter eigenem Namen zum Spitzenstar gebracht, erst als Gastsänger für die Formation Daft Punk mit dem Titel „Get Lucky“ und dann mit dem Ohrwurm „Happy“, der ja allüberall und total global in der Luft lag. Ehre, wem Ehre gebührt. Auch wenn dies im Popgeschäft meist an toughe Umsatzzahlen gekoppelt ist: neben tausend Preisen und Auszeichnungen wurde „Happy“, das aus einem Film stammt, sogar für den Oscar nominiert.

Jetzt aber wirbelt er inmitten von sieben ständig die Formation und die Klamotten wechselnden Tänzerinnen über die Bühne, nachdem er bedächtig im Stile eines souveränen Megaüberblickers nach vorne getreten ist. Sein Album heißt „Girl“ und unter anderem als Frauenversteher aller Klassen hat er sich seinen Namen gemacht. Er scheint auf seine Weise dem anderen Geschlecht so inniglich zugewandt, dass es fast schon rührend ist. Hinter den elastischen Tanzbienen tun vier Musiker Dienst, die ein kompaktes Klangbild herbeizaubern, mit Gitarre, Bass, Tasten und dem spitz knatternden Schlagzeug. Eine Mischung aus Neo-Soul, Hip Hop und R&B bringen sie auf diese Weise zustande. Eine Mischung, die daheim in den USA sehr beliebt ist und Stars zu Megastars machen kann.

Natürlich stimmt der Sound, haken die Frequenzen ineinander und ist alle Wummrigkeit tabu. Schließlich ist der Chef als Meister des gepflegten Tons vom Fach. Meist fistelt er kopfstimmig Körperbetontes im Stile von Altvorderen seines Genres wie Curtis Mayfield oder Prince. Die Tradition afroamerikanischer Musik nimmt er auf diese Weise lässig mit und führt sie mit seinem eigenen „Projekt“ versiert ins Turbo-Showgeschäft des 21. Jahrhunderts über. Natürlich beherrscht er auch alle Posen des Geschäfts, grinst inmitten tanzender Girls von den Screens, stellt sich dabei als singender Mittelpunkt mit hüftenschwingender Dekoration auf und erweist unter anderem mit dem Titel „Marylin Monroe“ einem Jahrhundertsymbol der Weiblichkeit seine Referenz.

Selbstverständlich wirft Williams unter tosendem Beifall auch bald seinen Umhang samt Hut ab. Es weht Fans vorbei an allen Ordnern auf die Bühne und er sucht sich im Publikum auch sogleich weibliche Perlen der Region aus, die zu ihm einen Titel lang auf die Bühne dürfen. Überlegte Dramaturgie ist sowas. Aber auch er selbst strebt zu dem zuckendem Beat seiner Band in die Menge, schüttelt Hände, umarmt, verteilt Küsschen und lässt sich in flugs geschossenen Selfies für die Ewigkeit bannen. Es ist ein einziges Lächeln und Lachen, gute Stimmung allüberall, mag draußen die Welt auch noch so verrückt spielen: Wir feiern eine Party, das ist hier die Botschaft.

Die Titel heißen „I just wanna make love U“, „She wants to move“, „It Girl“ oder ähnlich und entwickeln teilweise einen sehr strammen Groove. Gut gemacht. Einmal dürfen die Tanzmädchen auch mit ihren Hintern solo wackeln: der Meister ist dabei von der Bühne gegangen und überlässt sie großzügig dem weiblichen Geschlecht für seine Darbietungen. Zumindest ein paar Minuten lang.

Dann aber ist er wieder der alles beherrschende Chef, und führt das Programm auf den Titel „Get Lucky“ zu, den er als Gastsänger für die Formation Daft Punk zum gigantischen Hit gemacht. So recht eigentlich war es ja der Gitarrist Nile Rodgers, der mit seinem umwerfenden Spiel dem Werk den rhythmischen Dreh gegeben hat. Aber egal, auch an diesem Abend geht „Get Lucky“ gewaltig in die Beine, der Gitarrist gibt sich alle Mühe und die Rhythmusgruppe spielt etwas gerader als die Formation im Studio. Dem äußerst simplen Titel tut das keinen Abbruch.

Williams scheint mit seiner ureigenen Magie ganz klar ins Schwarze getroffen zu haben, etwas, worum es in der Popmusik letzten Endes geht. Er macht auch nicht den Fehler, den Titel zeitlich zu überdehnen, weiß er doch, dass er einen noch größeren Hit in der Hinterhand hat. Dieser ist dann im Zugabenteil zu hören und mit einem ziemlich überflüssigen Gitarrensolo verlängert: alle freuen sich und sind so sehr happy, die Tänzerinnen nehmen noch einmal Aufstellung und der Meister zelebriert sein Werk mit allem, was er hat. Es ist ein einziges Hurra, Nebelkanonen und Konfettibomben sprühen und spucken Glitzerndes. Mit Mühe hat sich Williams an neunzig Minuten herangetastet und sie trotzdem nicht erreicht. Das kann noch besser werden. Doch clever gestylt und hübsch designt hat er seine Performance allemal.