Ischinger lässt das Klischee nicht gelten, wonach Mädchen generell über weniger mathematisches Talent verfügten. Es sei auch nicht zutreffend, dass Mädchen in allen Ländern, wenn sie die Wahl hätten, eher zum Buch als zum Taschenrechner griffen. Vielmehr lasse sich nachweisen, dass Mädchen vor allem in Mathematik in Deutschland über ein geringeres Selbstwertgefühl verfügten als Jungen. Selbst da, wo Jungen und Mädchen gleiche Leistungen vorweisen könnten, seien Mädchen gegenüber dem Fach Mathematik negativer eingestellt. Die Angst vor Mathematik sei bei Mädchen größer, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sei geringer, ebenso die Ausdauer und die Motivation beim Lernen. Hier müsse angesetzt werden.

 

In anderen Ländern wird mehr Mathe gelehrt

Ischinger äußerte in diesem Zusammenhang eine gewagte These: „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch gesund ist, sich ehrenamtlich betätigt und sich eher als Gestalter denn als Objekt politischer Prozesse empfindet, steigt mit den Mathe-Kompetenzen.“ Größeren Nachhall dürfte ihr Hinweis hervorrufen, dass mit Blick auf Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit „Politiker, Lehrer und Eltern alles daransetzen sollten, das Interesse der Mädchen zu wecken und ihre Potenziale voll auszuschöpfen“. Im Oktober dieses Jahres war eine Vergleichsstudie des Instituts zur Qualitätsentwicklung in der Bildung ebenfalls zu diesem Ergebnis gekommen.

Forderungen aus der Wirtschaft, wonach der Mathematikunterricht ausgeweitet werden sollte, sind laut Ischinger berechtigt. In anderen OECD-Ländern werde mehr Mathematik gelehrt. Fortschritte seien vor allem im Unterricht zu erzielen. Eine Stunde Unterricht brächte einen größeren Lernerfolg als eine Stunde für die Bewältigung von Hausaufgaben.