Exklusiv Gerichte hatten bisher nur die Wahl zwischen Haft- und Geldstrafe. Schwarz-Rot will jetzt Fahrverbote für Kriminelle als Sanktion einführen. Das stößt bei Juristen auf Kritik.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Wenn es zu einer großen Koalition kommt, wollen die Bündnispartner neue Wege bei der Sanktionierung von Straftaten gehen. Sie wollen den Führerscheinentzug als eigenständige Sanktion ins Strafrecht einführen. Bisher wurden Fahrverbote nur bei Verkehrsdelikten verhängt. Künftig soll es möglich sein, Fahrverbote auch bei anderen Straftaten, zum Beispiel Diebstahl, zu verhängen.

 

Die Union hat diesen Vorschlag durchgesetzt. „Die Einschränkung der Mobilität kann wirksamer sein als eine Geldstrafe, und sie ist weniger schwerwiegend als eine Haftstrafe“, betont ein Vertreter der Union. Die SPD habe den Vorstoß unter der Voraussetzung akzeptiert, dass das Fahrverbot eine Alternative zur wesentlich schlimmeren Freiheitsstrafe darstelle und nur dann verhängt werde, wenn eine Geldstrafe nicht schmerzen würde, heißt es in der SPD-Fraktion.

Richter halten Vorschlag für systemfremd

Neu ist die Idee nicht. Schon 1992 hat der Deutsche Juristentag entsprechende Vorschläge beraten. Bei den Gerichten stoßen die aktuellen Absichten der Koalitionsunterhändler allerdings auf wenig Gegenliebe. „Ich sehe das kritisch“, erklärt der Vorsitzende des nordrhein-westfälischen Richterbundes, Reiner Lindemann. „In meinen Augen ist eine solche Nebenstrafe außerhalb von Verkehrsdelikten systemfremd. Das hat den Ruch des Unpassenden und Falschen.“

Stefan Caspari, Mitglied beim Deutschen Richterbund in der großen Strafrechtskommission, führt verfassungsrechtliche Bedenken ins Feld, „weil diese neue Sanktion nicht so einfach mit dem Gleichheitsgrundsatz in Einklang zu bringen ist“. Auch in seinen Augen „überwiegen die Gründe dagegen nach wie vor“. Seine Kritik erläutert Caspari an einem Beispiel: „Wenn ein Dieb das Glück hat, eine Fahrerlaubnis zu besitzen, muss er wegen seinen Straftat einen Monat lang sein Auto stehen lassen. Einer, der keinen Führerschein hat, hat diese Chance nicht. Er muss in Haft oder eine Geldstrafe bezahlen.“ Verschärft werde diese Ungleichheit, weil der Vollzug nicht überwacht werden könne. „Ob einer seinen Führerschein abgegeben hat und trotzdem fährt, fliegt nur zufällig auf, wenn er in eine Kontrolle gerät“, ergänzt Caspari.

„Der Sanktionskatalog ist differenziert genug“

Als problematisch wertet er, dass noch ein weiterer Grundsatz ausgehebelt würde. „Bisher galt, dass straffrei bleibt, wenn jemand versucht, sich einer Strafe zu entziehen, weil dies dem Menschen eigen ist. Deshalb ist zum Beispiel der Versuch, aus einer Haftanstalt auszubrechen, straflos. Beim Führerscheinentzug als Sanktion wäre das zum ersten Mal anders: Wenn einer trotzdem fährt, würde dadurch eine neue Straftat entstehen: das Fahren ohne Fahrerlaubnis, das wiederum eine weitere Strafe nach sich ziehen würde.“

Caspari ist seit mehr als 15 Jahren Strafrechtler in der Praxis: „Bisher habe ich noch keinen Fall erlebt, bei dem ich das gebraucht hätte. Der Sanktionskatalog ist in meinen Augen ausreichend differenziert, so dass eine Strafe weder unangemessen hart noch zu weich ausfallen muss.“ Die Höhe der Tagessätze sei in den vergangenen Jahren stark angewachsen. „Sie reichen von einem bis zu 30 000 Euro. Bei der Bandbreite ist es möglich, ein angemessenes Strafmaß für jeden Täter festzusetzen.“