Auch bei Männern sind Schönheitsbehandlungen gefragt. Der Trend geht zum Eingriff ohne Skalpell. Mögliche Risiken werden verdrängt.

Stuttgart - Die hohe Stirn war ihm seit langem ein Graus. Schon mit Ende 20 hatte Hans Winter (Name geändert) viele Haare verloren. Der Hautarzt fand keine Ursache, und dessen Versuch, die kahlen Stellen mit einem eingewebten Haarteil zu kaschieren, erwies sich als aufwendig und unpraktisch. Vor 17 Jahren dann, mit Mitte 30, entschloss sich Hans Winter zu einer Eigenhaarverpflanzung.

 

Unter örtlicher Betäubung werden Haarwurzeln aus dem meist dicht bewachsenen Haarkranz entnommen und dort eingesetzt, wo Lücken gefüllt werden sollen. Die Haare werden dabei in sehr kleine Haarwurzeleinheiten ("Follicular Units") zerteilt und an den kahlen Stellen in winzige Öffnungen eingesetzt (FUE-Methode). Die Haare aus dem Haarkranz sind so gut wie nie betroffen vom hormonell-genetisch bedingten Haarausfall, der häufigsten Form des Haarausfalls. Wenn sie verpflanzt werden, behalten sie ihre genetische Programmierung und wachsen meist lebenslang.

"Es sieht ganz natürlich aus"

"Die Erfolgsquote ist hoch", sagt Dr. Annette Hortling, Leiterin der Abteilung Eigenhaartransplantation der Moser-Kliniken in Augsburg. Allerdings erfordere die Haarverpflanzung gerade am exponierten Haaransatz viel Erfahrung. Hans Winter ist jetzt 53. Er hat Geheimratsecken, aber die verpflanzten Haare sind noch da, genauso ergraut wie die restlichen. "Es sieht ganz natürlich aus. Nicht einmal mein Friseur hat das bemerkt."

Haartransplantationen gehören zu den beliebtesten männlichen Schönheitsoperationen. Auch Silvio Berlusconi ließ sich die Haare mit der FUE-Methode richten. Vor einem Eingriff sollte allerdings die Ursache des Haarausfalls geklärt werden, um psychische Faktoren oder andere Krankheiten auszuschließen.

Wie bei den Frauen steigt auch bei den Männern die Zahl derer, die sich für die Schönheit unters Messer legen. Genaue Zahlen gibt es nicht, da ambulante und privat zu bezahlende Operationen nicht zentral erfasst werden. Die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen schätzt, dass der Anteil der Männer bei Schönheitsoperationen von 12,5 Prozent im Jahr 2004 auf 17,4 Prozent im Jahr 2009 gestiegen ist. Insgesamt aber verlaufe der Anstieg langsam, betont Dr. Johannes Bruck, Vizepräsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen und Chefarzt für Plastische Chirurgie im Martin-Luther-Krankenhaus in Berlin: "Wir gehen für ganz Deutschland von 100.000 bis 150.000 rein ästhetischen Operationen aus und nicht von einer Million, wie manchmal behauptet wird." Rechne man die stark gefragten unblutigen Eingriffe wie die Faltenunterspritzung hinzu, komme man "vielleicht auf eine halbe Million ästhetische Eingriffe", so Bruck.

Für mehr Schönheit auf den OP-Tisch


Wer sich Spritzen gegen Falten setzen lässt, glaubt sich auf der sanften Seite. Tatsächlich steigen die Behandlungen mit sogenannten Dermafillern deutlich an. Im Vorreiterland USA ist der Trend eindeutig: Seit dem Jahr 2000 stiegen dort die minimal-invasiven Eingriffe um 99 Prozent, die operativen Eingriffe gingen im gleichen Zeitraum um 20 Prozent zurück. Als Dermafiller wird neben Kollagen häufig Hyaluronsäure oder Eigenfett verwendet. Diese Substanzen bauen sich selbst ab, so dass nach drei bis sechs Monaten nachgespritzt werden muss. Auch Botox, ein Nervengift, das eigentlich Botolinum toxin heißt und den Muskel lahmlegt, baut sich in einem ähnlichen Zeitraum ab.

Doch in der "wunscherfüllenden Medizin" werden im Gegensatz zur "heilenden Medizin" erstaunlich oft mögliche Risiken verdrängt. "Viele empfinden das nicht als echte Operation", kritisiert Peter Vogt, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen und Direktor der Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Manche Komplikationen könnten zu dauerhaften Erkrankungen und Behinderungen führen, warnt auch die Deutsche Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie. Deshalb müsse ein Patient "so schonungslos wie irgend möglich aufgeklärt" werden.

Wie gefährlich eine OP sein kann, zeigte im Januar das Schicksal von Cora. Die 23-jährige Erotikdarstellerin starb in Hamburg nach Komplikationen bei ihrer sechsten Brustvergrößerung. Seriöse Plastische Chirurgen raten von so vielen Eingriffen dringend ab. Leitlinien oder Empfehlungen zu mehrfachen Schönheits-OPs oder zum Gewicht der Brust-Implantate gibt es bislang nicht. Vergessen wird oft auch, dass eine Brust-OP Folgen für die spätere Krebsvorsorge hat: "Mammographie ist bei silikongefüllten Implantaten schwieriger", sagt Peter Vogt. "Und die Krankenkassen zahlen für alternative Untersuchungsmethoden nicht."

Brustvergrößerungen sind anfällig für Komplikationen

Die meisten Komplikationen gibt es nach Brustvergrößerungen, Fettabsaugungen und Nasenoperationen. Selbst ohne chirurgische Fehler, Thrombosen, Embolien oder Wundinfektionen, so Vogt, seien bei bis zu 30 Prozent aller Bruststraffungen oder Brustvergrößerungen Korrekturen nötig. Auch eine Haartransplantation kann misslingen: Infektionen sind möglich, eine Verletzung von Nerven, Narbenbildung oder eine unnatürliche Optik.

Das Problem seit Jahren: Der Begriff "Schönheitschirurg" ist weder gesetzlich geschützt noch lässt sich daraus eine Qualifikation ableiten. Nur ein "Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie" hat eine sechsjährige Zusatzausbildung mit mindestens 600 Operationen absolviert. Aber auch Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen dürfen ästhetische Verfahren anbieten. Ebenso tun das Dermatologen, Gynäkologen oder Hausärzte, teilweise mit, teilweise ohne Zusatzqualifikation. Verboten ist das nicht. Gerade erst entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Fachärzte sich nur überwiegend auf ihr Fachgebiet beschränken müssen und gegen private Rechnungen auch darüber hinaus tätig werden dürfen. So darf etwa ein Kieferchirurg auch Brustimplantate einsetzen.

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen empfiehlt deshalb, sich besonders gut zu überlegen, ob ein solcher Eingriff wirklich nötig ist und ob das erwünschte Ziel damit tatsächlich erreicht werden kann. Oftmals gebe es weniger risikoreiche Alternativen. Das populäre Fettabsaugen etwa sei kein Ersatz für Ernährungsumstellung und Abnehmen.

Hitliste und Kosten der ästhetischen Chirurgie

Die häufigsten Operationen

bei Frauen
1) Brustvergrößerung
2) Fettabsaugung
3) Nasenkorrektur
4) Augenlid-OP (Straffung bei Tränensäcken/Korrektur bei Schlupflidern)
5) Face-Lift

bei Männern
1) Augenlid-OP
2) Fettabsaugung
3) Nasenkorrektur
4) Haartransplantation
5) Face-Lift

Die Angaben gelten für 2010 und stammen von der Bodenseeklinik „Mang Medical One“ von Werner Mang.

Die Kosten
- Faltenunterspritzung 160 bis 400 Euro, mit Eigenfett ab 1000 Euro
- Kleines Facelift (Gesicht) 3000 bis 5000 Euro
- Großes Facelift (Gesicht, Hals, Augenlider) 5000 bis 10000 Euro
- Brustvergrößerung ab 5000 Euro
- Brustverkleinerung ab 5000 Euro
- Fettabsaugung 2500 bis 7500 Euro
- Bauchdeckenstraffung 3000 bis 6500 Euro
- Nasenkorrektur ab 3000 Euro
- Ohrenkorrektur ab 2500 Euro
- Haartransplantation 2000 bis 10.000 Euro

Alle Preisangaben sind Schätzungen ohne Klinikkosten und ohne Beratung. Die tatsächlichen Kosten können je nach Aufwand stark variieren.

Kostenübernahme
Gesetzliche Krankenkassen übernehmen nur Kosten für medizinisch notwendige Behandlungen. Kosten für rekonstruktive chirurgische Eingriffe, also eine Wiederherstellung nach einem Unfall oder nach Krebserkrankungen, werden meist voll übernommen. Ähnlich wird bei privaten Krankenkassen verfahren.