Der rechte Aufmarsch in Karlsruhe ist weit weniger umfangreich gewesen als zunächst erwartet. Die Polizei ist am Ende zufrieden – auch wenn es kleinere Scharmützel gab.

Karlsruhe - Polizeihubschrauber in der Luft, schwer ausgerüstete Hundertschaften vor dem Bahnhof und großflächige Absperrungen in der Altstadt. Eine bundesweite Demonstration der Neonaziszene hat den Karlsruher Stadtteil Durlach am Samstag in den Ausnahmezustand versetzt. Mehr als 3000 Beamte sorgten dafür, dass die Rechtsextremen dort ihren jährlichen „Tag der deutschen Zukunft“ (TddZ) begehen konnten. Zu dem kamen mit etwas mehr als 300 Personen allerdings deutlich weniger Teilnehmer als erwartet. Stadt und Polizei hatten sich auf das Dreifache eingestellt.

 

Weitaus größer fielen die Gegenproteste der Karlsruher Zivilgesellschaft aus. Einem breiten Aktionsbündnis aus Gewerkschaften, Vereinen und Organisationen gelang es trotz bestem Badewetter, mehrere Tausend Bürger auf die Straße zu bringen. Von bis zu 4000 Menschen geht das Bündnis aus, 2500 Demonstranten zählte die Polizei.

Bei der zentralen Gegenkundgebung vor dem Durlacher Bahnhof zeigte sich der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup begeistert von der Einsatzbereitschaft der Bürger. Es sei das „größte ehrenamtliche Engagement seit der Flüchtlingshilfe“, hob der Schultes hervor. „ Schaut auf diese Menschen und versteht, dass ihr mit eurer Meinung in dieser Stadt nichts zu suchen habt,“ rief er den Rechten entgegen, die sich nur wenige hundert Meter entfernt versammelten, um gegen „Überfremdung“ und den „Volkstod“ zu demonstrieren. „Vielfalt ist nicht der Feind, sondern die Voraussetzung für die blühende Gesellschaft, in der wir auch weiter leben wollen“, betonte Mentrup. Als „Stadt des Rechts“ werde Karlsruhe ein Signal für Grundrechte und für Menschenrechte setzen.

„Es darf kein Wegducken geben“, forderte auch der DGB-Landesvorsitzende Martin Kunzmann. Er erinnerte in seiner Rede an die Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald im April 1945. Die Verpflichtung „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ sei man denjenigen schuldig, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus ihr Leben gelassen hätten. Der rechtsextreme Aufmarsch zeige aber auch, dass der soziale Frieden in Gefahr sei, so Kunzmann weiter. Die Feinde der Demokratie kämen aus ihren Löchern: „Es ist zutiefst beschämend, dass Menschen geistig und moralisch so verrohen.“

Die Teilnehmer der Neonazidemo bekamen davon wenig mit. Mit mehrreihigen Absperrgittern und hunderten Einsatzkräften schirmte die Polizei die Rechtsextremen konsequent ab. Vor allem Anhänger der neonazistischen Kleinstpartei „Die Rechte“ waren in die Fächerstadt gekommen. Darunter zahlreiche Personen der militanten Dortmunder Szene um den als „SS-Siggi“ bekannt gewordenen Neonaziaktivisten und Ex-Hooligan Siegfried Borchardt. Die NPD war mit einem eigenen Transparent vertreten. Auf anderen Bannern prangten die Logos der „Kameradschaft Höri-Bodensee“, der „Freien Kräfte Schwarzwald-Baar-Heuberg“ und der „Kameradschaft Freudenstadt“.

Zahlreiche Neonazis aus dem Rhein-Neckar-Kreis

Auch zahlreiche Neonazis aus dem Rhein-Neckar-Kreis tummelten sich im Pulk unter schwarz-weiß-roten Fahnen. Darunter Anhänger der rechten Hooliganszene und des internationalen „Hammerskin“-Netzwerks. Auf dem T-Shirt eines Glatzkopfes war der Schriftzug der „Aryans“ zu lesen. „Support your race“ ist das Motto der Truppe, die am 1. Mai dieses Jahres an einem Angriff auf Jugendliche in Halle beteiligt war.

Glaubt man dem langjährigen Neonaziaktivisten Dieter Riefling, ist es genau diese Mischung, die der „Tag der deutschen Zukunft“ zusammen bringt. Der Hildesheimer gilt als Gründer und Macher der „TddZ“-Kampagnen. In Karlsruhe spielte er am Samstag aber nur die zweite Geige. Riefling musste das Mikrophon dem „Die Rechte“-Vorsitzenden Christian Worch überlassen. Mit einem Auflagenbescheid hatte die Stadt neun von zehn angekündigten Redner und 16 von 21 gestellten Ordnern abgelehnt. Die Versammlungsbehörde hatte bei einer Überprüfung der Personen einschlägige Erkenntnisse festgestellt – von „gewaltbereit“ bis zur Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen oder Volksverhetzung.

Einen Eilantrag der Rechten hatte das Verwaltungsgericht am Freitag als unzulässig abgelehnt. Somit blieb es beim Redeverbot. Angesichts dieses juristischen Schiffbruchs zeigte Worch am Samstag Nerven: „Meine gefühlte Betriebstemperatur war 200 Grad und meinen Blutdruck habe ich lieber gar nicht gemessen“, polterte er seinen Anhängern zu. „Mein Rekord im Dauerreden liegt bei sechs Stunden“, drohte er angesichts des Rednerausfalls an.

Massive Angriffe auf Gitterabsperrungen

Mit Verspätung setzte sich der Neonazimarsch dann in Bewegung. „Ruhm und Ehre der deutschen Nation“ und „Frei-Sozial-National“ hallte es durch die abgesperrten Straßen. Dort zeigten viele Bürger, was sie von der monatelang beworbenen Demo der Rechten halten: „Unsere Zukunft ist bunt“ war auf dem Banner unter einem Fenster zu lesen. „Menschenrechte statt rechte Menschen“ hieß es von einem Balkon aus.

Andernorts fiel der Protest heftiger aus. „Es hat massive Angriffe auf die Gitterabsperrungen von etwa 300 Personen aus dem antifaschistischen Bereich gegeben“, teilte der Polizeisprecher Martin Plate mit. Dort sei es auch zum Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken gekommen. In der Durlacher Pfinzstraße seien außerdem zwei Rechte von linken Gegnern angegriffen und verletzt worden.

Im Großen und Ganzen sei das Konzept der strikten Trennung und Separierung der Lager aber aufgegangen, bilanzierte Plate am Nachmittag. „Erst nach einer ausführlichen Aufarbeitung können wir sagen, was genau sich bei dem Gerangel abgespielt hat“, erklärte Elwis Capece, einer der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen die rechte Demo. Er bestätigte außerdem, dass es unter den Gegendemonstranten Verletzte gegeben habe.

Rundum zufrieden zeigte er sich aber mit den Aktionen des breiten bürgerlichen Bündnisses: „Die Demonstration durch die Durlacher Innenstadt ist bunt, kreativ und friedlich gewesen. Das war ein starkes Zeichen.“