Sabotage und Klimawandel fordern die Polizei zusätzlich. Es braucht deutlich mehr Beamte im Land. Doch die Zahl der Bewerber sinkt.

Das Interesse junger Menschen, Polizistin oder Polizist in Baden-Württemberg zu werden, verharrt seit 2017 auf einem niedrigen Niveau: Bewarben sich damals noch 4099 für den Dienst in der Polizei, sank die Zahl in den Folgejahren bis 2021 auf 3758 ab. Demnach interessierten sich vor sechs Jahren für eine freie Stelle noch 3,49 Bewerber. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 2,9 Bewerber pro freiem Dienstposten. Das zeigen Berechnungen, die die Gewerkschaft der Polizei (GdP) jetzt auf Grundlagen von Daten des Innenministeriums vorlegte.

 

„Wir brauchen intelligente Lösungen, um auf den Polizeiberuf aufmerksam zu machen und junge Menschen für ihn zu begeistern“, mahnt Gundram Lottmann, Vorsitzender der GdP im Südwesten. Zudem müsse der Beruf attraktiver werden. Dazu gehöre auch, dass Polizeischüler während ihrer Praktika im zweiten Ausbildungsjahr einen Wohngeldzuschuss in Höhe von monatlich 300 Euro bekommen. „In dieser Zeit versehen die jungen Kollegen Dienst bei Polizeidienststellen, oft in den Ballungsgebieten. Da reichen die Gehälter von 1250 bis 1300 Euro nicht aus, um in Stuttgart, Karlsruhe oder Mannheim Mieten zu zahlen“, stellt Lottmann fest. Deshalb müsse die Politik hier tätig werden.

Jeder sechste Polizeischüler bricht die Ausbildung ab

Zumal jeder sechste Polizeischüler in Baden-Württemberg seine Ausbildung abbricht und aus dem Dienst ausscheidet. Auch das zeigen die Zahlen des Innenministeriums: 948 Frauen und Männer hängten demnach zwischen 2017 und 2021 die Uniform noch während ihrer Ausbildung an den Nagel. Im selben Zeitraum wurden 6663 junge Menschen bei der Polizei eingestellt. Demnach scheiden 14,23 Prozent der Auszubildenden aus.

Die Gründe dafür, den Dienst vorzeitig zu quittieren, seien vielfältig, sagt GdP-Landesvorstand Marius Buck: „Das reicht von mangelhaften sportlichen Leistungen über andere Vorstellungen über den Beruf bis hin zu Fragen der Attraktivität des Polizeiberufes.“

Alles zusammen führt, so Lottmann, zu einer „alarmierenden Lage“, bei der es um die sogenannte Polizeidichte im Südwesten schlecht bestellt ist. Unter diesem Begriff wird statistisch die Anzahl von Polizisten erfasst, die für je 100 000 Einwohner zuständig sind. Seit Jahren belegt Baden-Württemberg trotz der von Innenminister Thomas Strobl (CDU) ausgerufenen Einstellungsoffensive hier einen der letzten Plätze im deutschlandweiten Vergleich und ist derzeit Deutschlands Schlusslicht.

Nirgendwo in Deutschland gibt es auf 100 000 Einwohner weniger Polizisten

Dabei übernahm die grün-schwarze Landesregierung bei ihrem Regierungsantritt 2017 eine Polizeidichte von 270 Beamtinnen und Beamten von der Vorgängerregierung. Mit Ausnahme des Jahres 2020, als 271 Polizisten auf 100 000 Einwohner kamen, hat sich der Wert nicht verändert. Anders ausgedrückt: Während Baden-Württembergs Bevölkerung wächst, schrumpft seine Polizei. „Wir sind heute auf demselben Stand wie 1981“, rechnet Lottmann vor. Damals lebten zwei Millionen Menschen weniger im Land.

Dabei wachsen die Aufgaben, die die Polizei seitdem zusätzlich übernehmen muss, kontinuierlich: „Das vergangene Wochenende hat mit den Sabotageakten bei der Bahn gezeigt, dass wir stärker die kritische Infrastruktur Deutschlands schützen müssen.“ Und die Folgen des Klimawandels machten es erforderlich, dass Menschen im Ahrtal auch mit baden-württembergischen Polizeihubschraubern gerettet werden müssten, zählt der GdP-Landesvorsitzende auf. „Von den Bedrohungen und der Kriminalität im Cyberraum will ich gar nicht sprechen.“

Deshalb fordert er, zusätzlich zu den jungen Polizisten, die für pensionierte Kollegen eingestellt werden, jährlich in den kommenden zehn Jahren 600 weitere Polizisten einzustellen – insgesamt also 1800 neue Kräfte, um auf einen Platz im statistischen Mittelfeld Deutschlands aufzusteigen.