Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)


Einzelne Abgeordnete hätten die Erklärung noch etwas entschärft, hieß es aus Teilnehmerkreisen - nicht aber Ulrich Goll. Dabei ist das schnelle Urteil für ihn gleich doppelt problematisch. Zum einen haben sich der Minister und seine Fraktionskollegen womöglich etwas einseitig informiert. Demonstranten oder neutrale Beobachter wurden nicht angehört, Filme der anderen Seite nicht angesehen.

Vor allem aber: Ob das Verhalten einzelner Beamter oder der gesamte Einsatz wirklich verhältnismäßig und damit rechtmäßig waren, wird in den nächsten Monaten die Justiz untersuchen. Es ist für die Staatsanwaltschaft und die Gerichte die zentrale Frage bei der Prüfung der Flut von Anzeigen gegen Polizisten und Polizeiführer. Da wirkt es zumindest eigenartig, wenn der Justizminister das Ergebnis schon vorher kennt. Goll selbst ließ auf StZ-Anfrage ausrichten, er wolle sich nicht dazu äußern.

Die FDP ist uneins


Parteiintern tat er das sehr wohl. Da zeigte sich der Justizminister pikiert über den Kommentar des Generalsekretärs der Bundes-FDP, Christian Lindner. "Die Bilder sprechen für sich. Das ist nicht verhältnismäßig gewesen", urteilte Lindner in einer Fernsehrunde. Auch in Stuttgart müsse man klar benennen, "dass ein solcher Vorfall nicht hätte passieren dürfen". Doch solche Klarheit gab es nur abseits der liberalen Machtzentren in Landtag und Regierung. "Wir Liberale wollen den demokratischen Rechtsstaat für den Bürger umsetzen, nicht gegen ihn", ließ der Europaabgeordnete und Vizelandeschef Michael Theurer mahnend aus Brüssel verlauten. Aus Respekt vor den Verletzten sei dringend eine "Denkpause" nötig.

Die Jungliberalen verlangten umgehend eine "lückenlose Aufklärung der tragischen Vorfälle" - eine Forderung, der sich Homburger inzwischen anschloss. Man müsse den Einsatz, über den die Polizei selbst nicht glücklich sei, sauber aufarbeiten. Offen zeigte sich die Landeschefin auch für den Vorschlag der Julis, neu über eine die Anonymität wahrende Kennzeichnungspflicht für Beamte nachzudenken; so lasse sich persönliche Verantwortung nach solchen Einsätzen besser feststellen.