Mit einer Reform will Innenminister Reinhold Gall (SPD) mehr Ordnungshüter zu den Bürgern bringen. Das stößt nicht nur auf Zustimmung.  

Stuttgart - Das Sparschwein könnte das Wappentier der Polizei sein. In vielen Revieren gebe es zu wenig Personal, so dass "Revierleiter Probleme haben, einen geordneten Schichtdienst zu organisieren", sagt Innenminister Reinhold Gall (SPD). In vielen Polizeiautos ist das Autoradio abgeklemmt, um Rundfunkgebühren zu sparen. Vereinzelt musste Munition rationiert werden, was weniger Schießübungen bedeutete. Gall sieht zudem bei der Polizei "einen Investitionsstau in der Größenordnung von 300 Millionen Euro".

 

23.700 Schutzpolizisten und Kriminalbeamte sind im Land im Vollzugsdienst, also auf Streife, bei Unfällen oder bei kriminalistischen Ermittlungen. Vor fünf Jahren waren es noch fast 25.000. Der neue Innenminister will diesen Abbau stoppen und "mehr Polizei in der Fläche haben". Um 1000 bis 1200 Stellen soll der Vollzugsdienst verstärkt werden.

Arbeitsgruppe soll sich Gedanken machen

Gall weiß, dass es für diese Idee nicht mehr Geld vom Finanzminister gibt. Darum hat er jetzt eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Sie soll sich Gedanken darüber machen, wie man den aktuellen Polizeiapparat so umbauen kann, dass Umschichtungen möglich gemacht werden. Die Fachleute haben keine Denkverbote, versichert der Minister. Sie werden unterstützt von einem Lenkungskreis aus Verwaltungsexperten, etwa vom Landesrechnungshof.

Bis Ende des Jahres sollen die Vordenker ihre Eckpunkte präsentieren. Diese würden dann im Kabinett, im Parlament, mit den Kommunen, mit Gewerkschaften und Personalräten diskutiert, verspricht der Minister: "Wir werden das zügig tun, aber sorgfältig und qualifiziert", sagt Gall.

Schweinsgalopp von Gall?

Wie es heißt, wird die Arbeitsgruppe erst nach der Sommerpause zu ihrer konstituierenden Runde zusammenkommen. Darum kann es jetzt noch gar keine Pläne zu Veränderungen geben. Spekuliert wird dennoch munter. Der Tenor der Einlassungen ist dabei sehr unterschiedlich.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält das Ansinnen Galls für in Ordnung. "Das geht in die richtige Richtung", sagt Rüdiger Seidenspinner, der Landeschef der im DGB beheimateten Gewerkschaft. "War es bisher verboten zu denken?", heißt es bei der im Beamtenbund integrierten Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Deren Landesvorsitzender Joachim Lautensack spricht von einem Schweinsgalopp, in dem Gall die Reform offenbar durchziehen wolle. "Die Eckpunkte für ein solch kompliziertes Werk bis zum Jahresende vorlegen zu wollen, mutet schon etwas abenteuerlich und blauäugig an", so die DPolG.

Bedenken der Polizeigewerkschaft

Tatsächlich dreht sich die Spekulation bis jetzt um geografische Gesichtspunkte. Gall hatte einfließen lassen, dass im größeren Bayern zehn Flächendirektionen mit entsprechend ausgerüsteten Leitstellen eingerichtet sind. Im Südwesten hingegen gibt es 37 Polizeidirektionen oder -präsidien, solche wie in Esslingen, wo 870 Beamte Dienst tun, aber auch solche wie in Künzelsau, die nur über 150 Uniformierte verfügen. Jede einzelne muss aber mit der kompletten Technik ausgestattet und diese regelmäßig erneuert werden. Dazu kommen vier bei den Regierungspräsidien angesiedelte Landespolizeidirektionen.

Dass da einzusparen sei, liegt offenbar nahe. Das weckt aber Bedenken der Polizeigewerkschaft. Größere Flächendirektionen würden "weder mit der Stadt- und Landkreisstruktur noch mit der Struktur der Gerichte und Staatsanwaltschaften übereinstimmen, was ganz erhebliche Schnittstellen bei der Abstimmung schaffen würde", heißt es bei der DPolG.

Noch viel Klärungsbedarf

Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) ist skeptisch, aber aus anderen Gründen. Eine Reformdiskussion nur entlang der räumlichen Organisation sei zu eng. Diese gehe auf die 70er-Jahre zurück. Seither hätten sich Mobilität und Kommunikationswege aber verändert. "Wir haben auch ganz andere Kriminalitätsphänomene, auf die zu reagieren ist", sagt der BDK-Landeschef Manfred Klumpp.

Für ihn ist "die Notwendigkeit von überregionalen, vom ,Alltagsgeschäft' losgelösten Ermittlungseinheiten" unzweifelhaft. Die Kriminalisten organisieren sich "zur Gewährleistung einer hohen Fachlichkeit deliktspezifisch". Das zeitige schon jetzt "regelmäßig unterschiedliche Interessenlagen, die teilweise im Verhältnis der Polizeireviere zueinander oder zur Kriminalpolizei nur schwer auflösbar sind". Bei immer mehr Delikten sei ein territorialer Ansatz "nicht mehr Erfolg versprechend und bedingt einen erhöhten Kommunikations- und Auswertungsbedarf". Das verdeutlicht: hier gibt es noch viel Klärungsbedarf.