Sollte man Geld in eine Reform stecken, die man so gar nicht will? Die grün-schwarze Koalition geht bei der Neuordnung der Polizei einen schmalen Grat.

Stuttgart - Die grün-schwarze Landesregierung setzt von dieser Woche an einen der wichtigsten Kompromisse ihrer Koalitionsverhandlungen um: Ein Kreis von Fachleuten wird mit der Evaluierung der sogenannten Polizeistrukturreform beginnen. Dieser von Grün-Rot 2012 eingeleitete Umbau der mittleren Polizeiebene, der aus 40 Leitungsbehörden zwölf neue geformt hat, soll in den nächsten Monaten „objektiv und ganz an der Sache orientiert“ überprüft werden, sagte Innenminister Thomas Strobl in Stuttgart. „Wir sind dabei von einer Frage geleitet“, so der CDU-Politiker: „Wie schaffen wir die optimale Sicherheit für die Menschen?“ Zwar werde die Reform nicht vollständig zurückgedreht, doch benötige die Polizei die besten Bedingungen für ihre Arbeit.

 

Eines der Hauptprobleme lässt sich schon jetzt absehen: die Frage, wie man bis zu den Prüfungsergebnissen im kommenden Jahr mit bereits beschlossenen Baumaßnahmen umgeht. Die Reform zog nämlich zahlreiche Neu- und Umbaumaßnahmen von Polizeibehörden nach sich, die zum Teil noch gar nicht begonnen sind. Damit nicht die Maurer vollendete Tatsachen schaffen, die von der Politik gar nicht mehr gewollt sind, hat Strobl vor der Sommerpause acht Bauprojekte auf Eis gelegt – darunter das neue Führungs- und Lagezentrum beim Polizeipräsidium Aalen, aber auch das neue Polizeirevier Ravensburg. Dieser Schritt hatte heftige Kritik bei den betroffenen Kommunen, aber auch bei Polizeigewerkschaften hervorgerufen, die auf zügige Baufortschritte pochen.

Ein Bayer führt die Kommission

Noch ist dieser Widerspruch nicht aufgelöst, denn das Ergebnis der Evaluation lässt sich naturgemäß nicht vorwegnehmen. Die Vertreter der Koalition haben sich nun aber darauf verständigt, wenigstens die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit diese Bauprojekte finanziert werden können. „Um zu vermeiden, dass diese acht Maßnahmen nicht mehr im Haushalt 2017 berücksichtigt werden und damit eine deutliche, jahrelange Verzögerung eintritt, haben wir entschieden diese acht Maßnahmen im Etat freizugeben“, sagte Strobl. Ob man sie tatsächlich wie geplant umsetzen wird, ist damit allerdings noch nicht gesagt. Strobl: „Es dürfen keine Baumaßnahmen erfolgen, die mögliche Ergebnisse der Evaluation konterkarieren.“

Ein achtköpfiger Lenkungsausschuss, der die Evaluation steuert und der am kommenden Donnerstag zum ersten Mal zusammentreten will, soll sich schnellstmöglich mit der Frage befassen, welche Projekte denn nun fortgeführt werden können. Der Druck auf das Team, das vom früheren bayrischen Polizeipräsidenten Waldemar Kindler geleitet wird, ist groß, denn die betroffenen Kommunen sind ungeduldig. Erst kürzlich hat der Aalener OB Thilo Rentschler dem Innenminister noch einmal schriftlich die Argumente unterbreitet, warum die von Grün-Rot beschlossenen Baumaßnahmen „zeitnah“ umgesetzt werden müssten.

Erste Ergebnisse im Frühjahr 2017

Kindler wird unterstützt von hohen Ministerialbeamten, darunter der Amtschef im Innenministerium, Julian Würtenberger. Auch Landespolizeipräsident Gerhard Klotter ist Mitglied des Gremiums, ebenso der Landesvorsitzende des Weißen Rings, Polizeipräsident a.D. Erwin Hetger, sowie der Vorsitzende des Hauptpersonalrats der Polizei, Ralf Kusterer. Die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Städtetags, Stefanie Hinz, vertritt die kommunale Seite. Erste Ergebnisse der Evaluation sollen im Frühjahr 2017 vorliegen. „Unser Ziel ist nicht, dass sich die Polizei möglichst lange mit sich selbst beschäftigt“, sagte Strobl. Ebendies befürchtet jedoch die Landtags-SPD, deren früherer Innenminister Reinhold Gall die Polizeireform 2012 angestoßen hatte. „Das CDU-geführte Innenministerium verunsichert die Polizei und belastet die Arbeit vor Ort“, erklärte Fraktionsvize Sascha Binder. Nach wie vor sei völlig unklar, wie es mit den gestoppten Baumaßnahmen weiter gehe.