Erstmals ermittelt Matthias Brandt als Kommissar Hans von Meuffels an der Seite von Anna Maria Sturm beim „Polizeiruf 110“ in München.   

München - Ob es stimmt, was der Regisseur Hans Steinbichler vermutet? Dass nämlich Cornelia Ackers, verantwortlich für den Münchner "Polizeiruf 110", an Thomas Manns vor fast einhundertzwanzig Jahren eher holprigen Start in der Isarmetropole gedacht habe, als sie die Figur des Hans von Meuffels entwickelte? Immerhin stammt der neue Münchner Kommissar ebenso wie der große Literat aus dem Norden Deutschlands, beide wurden sie vom südlichen Lebensgefühl angezogen, und es verbinden sie ein gepflegtes Äußeres und korrekte Manieren.

 

Damit hören die Gemeinsamkeiten der beiden Männer aber auch schon bald auf, denn von Meuffels bevorzugt "den Habitus von Menschen, die mehr sind, als sie scheinen", wie sein Darsteller Matthias Brandt kürzlich beim Münchner Filmfest erklärte. Er habe sich zwar von seiner adligen Herkunft distanziert, "aber er ist ein Preuße mit allen Widrigkeiten und verpflichtenden Tugenden, und hat es in München deshalb nicht immer leicht". Ein unspießiger Wertkonservativer, innerlich zerrissen zwischen großen Gegensätzen, als Ermittler im konservativ-anarchischen Bayern? Ein Nach-Achtundsechziger, der bei vielen gesellschaftlichen Entwicklungen Korrekturen für nötig hält? "Das ist dramatisch interessant, darauf kann man aufbauen", sagt der fünfzigjährige Schauspieler.

Matthias Brand wird seine Figur langsam entdecken

Er begreife seine Arbeit in dem vom Bayerischen Rundfunk produzierten "Polizeiruf 110" als langsames Entdecken einer Figur, "das sind für mich neue, spannende Bedingungen, einen Charakter über einen längeren Zeitraum zu entwickeln, das muss ja auch nicht unbedingt chronologisch ablaufen, es läuft eher ungeordnet ab, wie im Leben". Sein Hans von Meuffels jedenfalls ist von Anfang an so melancholisch und geheimnisvoll, dass die weiblichen Zuschauerinnen ihn ziemlich sicher lieben werden. Dass aber "Teamfähigkeit nicht seine größte Stärke ist" erweist sich schon in der Auftaktfolge "Cassandras Rache", die der Ausnahmeregisseur Dominik Graf, dem selten die Quoten, aber oft die Verleiher von Filmpreisen hold sind, in deutlicher Anlehnung an neuere amerikanische Serien gedreht hat.

Eine dunkle, recht verworrene, aber spannende Geschichte aus der Feder von Günter Schütter wird da erzählt. Sie handelt in schrill-ästhetischen Bildern von der schönen Ehefrau des Polizistenkollegen Gerry Vogt, an deren Stelle versehentlich ihre Freundin im Wochenendhaus im schönen Murnau ermordet wird, und die sich fortan vor dem Killer, der letztendlich eine Killerin und ehemalige Geliebte ihres Mannes sein soll, verstecken muss. Auf zwei weitere Leichen stößt Hans von Meuffels bei seinen Ermittlungen, die ihn unter anderem ins Transvestitenmilieu führen, und auf jede Menge Ungereimtheiten auch. Vor Ort in Murnau guckt er sich in einem klaren Moment die Jungpolizistin Anna Burnhauser aus, die von Anna Maria Sturm dargestellt wird. Sie wird künftig die Kollegin sein, deren unkomplizierte, bodenständige Art sein distanziertes Wesen ergänzt und eine fruchtbare Zusammenarbeit ermöglicht. "Von Meuffels schätzt ihr unverstelltes Denken und ihre analytischen Fähigkeiten", sagt Brandt.

Anna Maria Sturm wird Brandts Kollegin darstellen

Und: "Sie werden mehr miteinander zu tun bekommen, als sie zunächst denken."Künftig ermitteln sie gemeinsam, den großen Fußstapfen, die ihre Vorgänger Edgar Selge und Michaela May, und in einem kurzen Zwischenspiel der jäh verstorbene Jörg Hube und Stefanie Stappenbeck hinterlassen haben, sind sie dabei durchaus gewachsen - Brandt mit bezwingender Souveränität, Sturm mit unverstellter Frische.

Die Ausstrahlung ihrer zweiten filmischen Zusammenarbeit "Denn sie wissen nicht, was sie tun" hat die Jugendschutzkommission des Bayerischen Rundfunks gerade auf den 23. September um 22 Uhr verschoben, den Verantwortlichen erschien die Geschichte zu düster für eventuell noch vor dem Apparat sitzende Heranwachsende. Denn die beiden Kommissare müssen sich anlässlich eines Bombenanschlags auf die Münchner Fußball-Arena nicht nur mit den jungen Attentätern, sondern auch mit verschlafenen Kollegen, einem nachlässig wurstelnden Verfassungsschutz und einem nur machtpolitisch agierenden Innenministerium beschäftigen.

Gedreht hat ihn der oben genannte und vielfach ausgezeichnete Regisseur Hans Steinbichler, dessen Film "Das Blaue vom Himmel" in diesem Sommer in den Kinos lief. "Polizeiruf 110", sagte Steinbichler beim Filmfest, sei eines der letzten Experimentierfelder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, und er betrachte es "als Ehrenaufgabe, diese neue Münchner Reihe mit anzuschieben". Damit, dass seine Arbeit einfach ins Spätprogramm verschoben wird, hatte er sicher nicht gerechnet. Dennoch wird er im Herbst auch den Dreh des dritten Polizeirufs leiten, in dem Anna Burnhausen Hans von Meuffels in ihr Heimatdorf auf den Bauernhof ihrer Eltern mitnimmt. "Der Siegelring neben dem Misthaufen" sagt Steinbichler - und der Versuch, hinter Klischees zu schauen.

ARD, Sonntag 20.15

Die Ermittler

Mann: Matthias Brandt, Jahrgang 1961, war unter anderem am Nationaltheater Mannheim und am Schauspielhaus Bochum engagiert, bevor 2002 seine Fernseh- und Filmkarriere mit dem TV-Drama „Im Schatten der Macht“ begann. Seither erhielt er zwei Grimmepreise und eine goldene Kamera für seine Arbeit.

Frau: Anna Maria Sturm, Jahrgang 1982, spielte an den Münchner Kammerspielen, als MarcusH. Rosenmüller sie zur Hauptfigur seiner Kinofilme „Beste Zeit“ und „Beste Gegend“ machte. Der Tatort „Nie wieder frei“, in dem sie die Hauptrolle übernommen hatte, bekam einen Grimmepreis.