Carl Martin Welcker, Gesellschafter und Chef des Kölner Maschinenbauers, wird neuer VDMA-Präsident. Er stammt aus einer traditionsreichen Industriellenfamilie. Sein Urgroßvater ist bereits gemeinsam mit Robert Bosch auf die Jagd gegangen.

Köln - Mit dem Taxi dauert es wenige Minuten, um vom Kölner Hauptbahnhof zum Maschinenbauer Alfred Schütte zu gelangen. Der Weg führt über den Rhein und anschließend über die Deutzer Drehbrücke, ein technisches Denkmal, das Anfang das vergangenen Jahrtausends errichtet wurde. Die Industrie hat sich mittlerweile aus dem Deutzer Hafen weitgehend zurückgezogen und Wohnungen Platz gemacht, Schütte ist geblieben. Vom Firmengelände am Rhein-Ufer aus hat man einen schönen Blick auf die Kölner Altstadt mit dem prägnanten Dom. Carl Martin Welcker ist in Köln geboren und fühlt sich sichtlich wohl in der Domstadt. Zehn Minuten radele er morgens ins Büro, erzählt er. Und ja, dem Karneval ist der 56-Jährige auch nicht abgeneigt. „Ich stamme aus einer karnevalistischen Familie“, sagt er. Anders als sein Vater, der früher auch mal Prinz Karneval war, neigt Welcker jedoch eher dem Straßenkarneval zu. „Sie werden mich mit Sicherheit nicht erkennen“, behauptet er. Dennoch nimmt er es gelassen, dass er ausgerechnet am 11.11. (allerdings erst am Nachmittag) zum neuen Präsidenten des Maschinenbauverbands VDMA gewählt werden soll. Vier Jahre lang – ein Jahr länger als bisher – soll er dann diesem mit 3100 Mitgliedsunternehmen mächtigen Industrieverband vorstehen.

 

Carl Martin Welcker stammt aus einer traditionsreichen Industriellenfamilie. 1880 gründete sein Urgroßvater Alfred Heinrich Schütte ein Handelshaus, in dem er britische und amerikanische Werkzeugmaschinen verkaufte. Als im ersten Weltkrieg der Nachschub ausblieb, baute er eine eigene Produktion von Dreh-, Fräs- und Schleifmaschinen auf. Die Autoindustrie war von Beginn an ein wichtiger Kunde des Kölner Maschinenbauers, persönliche Beziehungen blieben nicht aus. So ging Alfred Schütte etwa gemeinsam mit seinem Freund Robert Bosch im Rheinland auf die Jagd. Man ahnt, dass die Kundenbeziehung zu dem Stuttgarter Zulieferer weiter existiert; Welcker schweigt dazu. „Die Kunden wollen nicht genannt werden“, sagt er stattdessen. Die Verschwiegenheit gehe sogar soweit, erzählt der designierte VDMA-Präsident, dass teilweise das Schütte-Label wieder von einer Maschine abgekratzt werden müsse, nur damit Wettbewerber keine Rückschlüsse ziehen können.

Eine Milliarde gefertigte Zündkerzen pro Jahr

Die Autoindustrie und der Verbrennungsmotor sind wichtig für Welcker – so werden etwa eine Milliarde Zündkerzen pro Jahr auf den Maschinen von Schütte hergestellt. Chancen rechnet sich der gelernte Maschinenschlosser und studierte Wirtschaftsingenieur auch bei Elektrofahrzeugen aus. Auch die Hersteller von Medizintechnik kaufen in Köln ein – etwa um künstliche Hüft- oder Kniegelenke zu fertigen. Und natürlich benötigen Maschinenbauer selbst solche Werkzeugmaschinen.

Es sind hochmoderne Mehrspindeldrehautomaten und Werkzeugschleifmaschinen, die teilweise bis zu zwei Millionen Euro kosten und allesamt in Köln gefertigt werden. Es seien komplexe Maschinen für die Massenproduktion, gefertigt werde besonders präzise und schnell. Dabei ist es nicht die Präzision, die Schütte-Maschinen auszeichnet. „Einspindel-Drehautomaten sind ebenfalls präzise“, so Welcker, der seit 1993 als geschäftsführender Gesellschafter alleine die Geschicke des Unternehmens lenkt. Sein Vorteil ist der Faktor Zeit. Mehrspindel-Drehautomaten benötigen gerade mal 0,9 Sekunden, um eine Zündkerze herzustellen, Einspindler schaffen das in zwölf Sekunden, erläutert der Firmenchef. In Billiglohnländern können solche Maschinen nicht gefertigt werden, sagt Welcker. „Man braucht dafür ein industrielles Umfeld“, fügt er hinzu. Dennoch sei der Preisdruck enorm. Dabei seien die Abnehmer „nicht phantasielos“. In den Verträgen gehe es um Verfügbarkeiten und technische Möglichkeiten. „Wenn ein Mehrspindel-Drehautomat ausfällt, werden die Produkte gleich massenweise nicht hergestellt“, erzählt Welcker.

Der Markt schrumpft

In den vergangenen Jahren seien immer mehr Wettbewerber aus dem Markt ausgeschieden. Tummelten sich 1990 auf dem Weltmarkt noch 25 Hersteller von Mehrspindel-Drehautomaten, so seien es mittlerweile gerade noch vier. Der Markt sei geschrumpft: „Vor 25 Jahren wurden noch doppelt soviele Maschinen verkauft“, so Welcker – auch weil der Ausstoß deutlich gestiegen sei. Zudem seien die technischen Anforderungen extrem gestiegen. Wer in dem Geschäft bestehen will, müsse „permanent investieren“, erläutert Welcker. 100 Millionen Euro setzt das Familienunternehmen, das rund die Hälfte des Umsatzes im Ausland erzielt, um – und erzielt Gewinn. Bankschulden habe man nicht.

Derzeit laufen die Geschäfte ordentlich, sagt Welcker. Die Mitarbeiter dürfte es freuen. 570 Beschäftigte sind für das Traditionsunternehmen in der Domstadt tätig. Weltweit sind es rund 660 Mitarbeiter. Schwierigkeiten, Beschäftigte zu finden, habe Welcker nicht. Er führt dies auch auf den zentralen Standort zurück. Kritisch sieht er die Steigerung der Tariflöhne; dies gehe auf die Marge, sagt der Firmenchef. Unzufrieden ist Welcker auch, weil er sein Arbeitszeitmodell korrigieren musste. Ursprünglich konnten die Arbeitszeitkonten der Beschäftigten 400 Stunden ins Plus und ins Minus pendeln, was wegen der großen Schwankungen sinnvoll war, erläutert er. Doch auf Drängen der Gewerkschaft musste er die große Bandbreite reduzieren.

Welcker geht es um Bürokratieabbau

Welcker hat eine Vielzahl von Ehrenämtern – so ist er bereits seit 2001 im Maschinenbauverband VDMA engagiert. Künftig wird er noch etwas weniger Zeit für sein Unternehmen haben. Zwischen ein und eineinhalb Tage, so schätzt er, werde sein neues Präsidentenamt verschlingen. Seine Schwerpunkte als VDMA-Präsident sieht er darin, die Mitglieder bei ihren Auslandsaktivitäten zu unterstützen, zudem nennt er den Bürokratieabbau als Thema. Auch die Freihandelsabkommen liegen ihm am Herzen. Welcker, der mit eine Amerikanerin verheiratet ist, ist ein Verfechter von TTIP. Auch nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hält er das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA nicht notwendigerweise für tot. Kritisch sieht er dagegen den Wunsch Chinas von Brüssel den Status einer Marktwirtschaft verliehen zu bekommen. „Da muss Brüssel hart bleiben“, sagt er – und verweist auf unterschiedliche Regelungen wie den Zwang von Technologietransfers im Reich der Mitte. Zeit für Hobbys wird ihm künftig noch weniger bleiben. Neben Karneval gehört der Wassersport zu seiner Passion. Immerhin war er vor kurzem zum Tauchen in Ägypten.