Lokales: Mathias Bury (ury)

Nach einem bis 1948 geltenden Publikationsverbot kommt Sieburgs zweite Karriere voran. In seiner Mansardenwohnung an der Stuttgarter Gaußstraße schreibt er sein Erfolgsbuch über Napoleon und vieles mehr. 1956 zieht er in den für ihn neben der Villa der Kiefers errichteten Bungalow. In dieser komfortablen Lage erlebt er eine zweite Blüte. Sieburg schreibt sein Meisterwerk über den französischen Romantiker Chateaubriand. Alle zwei Wochen fliegt er zur Redaktionskonferenz der FAZ nach Frankfurt, am Abend kehrt er heim in sein Refugium. Der Blick in den Park der Villa dürfte den Anfang seiner bis heute gerühmten Rezension von Martin Walsers Roman „Halbzeit“ angeregt haben: „Als mir das Buch wie ein Neugeborenes ganz behutsam und mit einem fast religiös geflüsterten Kommentar, der mich zur Ehrfurcht aufrief, in die Arme gelegt wurde, trug der Bergahorn noch seine Blätter. Die Vogelbeeren waren noch nicht weggepickt, und die Kastanienbäume zeigten kaum Spuren der Vergilbung. Heute, da es ausgelesen ist, stehen die Bäume kahl, und zwischen den Büschen häuft sich das tote Laub.“

 

Sein neues Leben hat aber auch schwierige Seiten, man lebt in einer Ménage-à-trois. Die starke Persönlichkeit der zierlichen Winnie, die tiefe Gefühle für Sieburg empfindet, aber ihre Ehe nicht aufgeben will, hält die Dreierbeziehung bis zum Tod Kiefers zusammen. Und der erfolgreiche Unternehmer liebt das Repräsentative, hier hat auch der früh gealterte Salonlöwe noch einiges zu bieten. Autoren wie Ernst Jünger und Golo Mann sind zu Besuch, bei Festen in der Villa stehen auf der Gästeliste Namen von Politikern wie Carlo Schmid, der Publizisten Joachim Fest und Klaus Harpprecht, der Schriftsteller Gottfried Benn und Carl Zuckmayer, aber auch von Show- und Fernsehgrößen wie Caterina Valente und Peter von Zahn. Bundespräsident Theodor Heuss und Kanzler Ludwig Erhard laden ihn zu Treffen von Intellektuellen nach Bonn ein.

Als Friedrich Sieburg am 22. Juli 1964 auf dem Stuttgarter Waldfriedhof beigesetzt wird, ist das ein Ereignis in der deutschen Presse. „Sein Tod hat mich tiefer betroffen, als ich es vermuten konnte“, schreibt Marcel Reich-Ranicki in einer kritischen Würdigung später und lobt Sieburg für seine umfassende Bildung, seinen Scharfsinn und Geschmack. „Er war der geistreichste und beste deutsche Feuilletonist der fünfziger Jahre. Ich weiß, ein Superlativ provoziert immer Widerspruch. Aber wenn nicht Sieburg, wer dann?“