Professur
Es gibt keinen regulären Lehrstuhl für das Fach Spaziergang, nur eine Stiftungsprofessur. An der Kunsthochschule in Kassel verbreitet Martin Schmitz, 60, die Lehre jenes Mannes, der den Begriff der Spaziergangsforschung geprägt hat: Lucius Burckhard (1925–2003).

Begründer
Der Schweizer Soziologe und Ökonom Burckhard kämpfte gegen die Zersiedelung von Städten durch mehrspurige Straßen. Dabei ging es ihm darum, die künstlerischen Vorstellungen von Architekten mit den Bedürfnissen der Bewohner in Einklang zu bringen.

Forschung
Mit der Spaziergangsforschung hat Burckhard in den 1960er Jahren eine eigene Disziplin etabliert, zwischen Architektur und Stadt- und Umweltplanung. Inzwischen hat sich der Fokus verschoben: weg von der Architekturkritik und hin zum Versuch, Bürger zu beteiligen.

Weißhaar ist in einem Dorf bei Villingen-Schwennigen aufgewachsen. Als passionierter Radfahrer engagierte er sich für mehr Radwege – so kam er zur Stadt- und Umweltplanung. 2002 zog es ihn nach Leipzig. Er sagt, die Stadt habe damals noch so ausgesehen wie Berlin nach der Wende: viele Brachen, Lücken, leer stehende Wohnungen. Ein Paradies für Stadtplaner. Geld vom Bundesbauministerium gab es auch, um alternative Wege der Stadtplanung auszuprobieren.

Spaziergänge als Planungsinstrument

Die Spaziergänge mit Bertram Weißhaar waren ein Instrument. „Nice to have“, sagt Stadtplanerin Christina Kahl, aber kein Muss. Ohne Fördermittel hätte sich die Stadt das nicht leisten können. Dabei seien die Spaziergänge bei den Leipzigern gut angekommen. Bertram Weißhaar nahm sie an die Hand. Er organisierte Picknicks an Orten, die sie noch gar nicht kannten. Er brachte sie mit Planern und Bauherren zusammen.

Doch jetzt ist das Projekt ausgelaufen. Leipzig braucht keine Werbung mehr. Riesige Kräne ragen in den wolkenlosen Himmel. Leipzig boomt. Es ist die am stärksten wachsende Stadt im Osten der Republik. Seit 2010 sind jedes Jahr 10 000 bis 15 000 Menschen zugezogen. Heute zählt Leipzig 580 000 Einwohner. „Die letzten freien Grundstücke gehen auch so weg.“ Weißhaar sagt es mit Bedauern.

Wir sind Richtung Norden gegangen. Er schwingt sich elegant über ein verrostetes Geländer und klettert eine Treppe hinunter. Sie führt zur Parthe, einem Rinnsal, einbetoniert zwischen Ufern. Früher leiteten Gerbereien ihre Abwässer ungefiltert in das Flüsschen. Heute bemüht sich ein kommunaler Zweckverband darum, das Gewässer zu renaturieren und Uferwege für Anwohner zugänglich zu machen. Ein Fall für Bertram Weißhaar. Als die Stadt verkündete, sie wolle hier eine vierspurige Straße bauen, trat er in Aktion. Mit Künstlern organisierte er ein Fest am Ufer. Glaubt man Weißhaar, war die Aktion ein voller Erfolg: „Von der Straße war nie wieder die Rede.“

Stadspaziergänge für Touristen

Inzwischen entwirft er seine Stadtspaziergänge auch für Reiseveranstalter, bei Bedarf als „Walk-Talks“, als Touren mit Audio-Guide. Sein größtes Projekt aber ist der „Denkweg“. Im Sommer 2015 ist er zu Fuß von Aachen bis nach Zittau gegangen und hat ein Buch darüber geschrieben. 1200 Kilometer in neun Wochen. Ein Querschnitt durch die deutsche Landschaft, von Köln bis zum Monte Kali, dem höchsten Salzberg Deutschlands.

Jetzt ist er dabei, sich mit Biobauern und Gastronomen entlang der Route zu vernetzen. Eine Alternative zum Jacobsweg, das ist sein Traum. Aber wer soll den gehen? Der Spaziergangsforscher grinst: „Jedes Jahr pilgern 40 000 Deutsche nach Santiago de Compostela, vierzig Prozent aus religiösen Gründen. Den Rest will ich abholen mit besseren Angeboten.“ Er meint Spaziergänger, die sich und das Land neu entdecken wollen. Einen Gott brauchen sie nicht. Der Weg ist das Ziel.

Spaziergänge als Forschungsgebiet

Professur
Es gibt keinen regulären Lehrstuhl für das Fach Spaziergang, nur eine Stiftungsprofessur. An der Kunsthochschule in Kassel verbreitet Martin Schmitz, 60, die Lehre jenes Mannes, der den Begriff der Spaziergangsforschung geprägt hat: Lucius Burckhard (1925–2003).

Begründer
Der Schweizer Soziologe und Ökonom Burckhard kämpfte gegen die Zersiedelung von Städten durch mehrspurige Straßen. Dabei ging es ihm darum, die künstlerischen Vorstellungen von Architekten mit den Bedürfnissen der Bewohner in Einklang zu bringen.

Forschung
Mit der Spaziergangsforschung hat Burckhard in den 1960er Jahren eine eigene Disziplin etabliert, zwischen Architektur und Stadt- und Umweltplanung. Inzwischen hat sich der Fokus verschoben: weg von der Architekturkritik und hin zum Versuch, Bürger zu beteiligen.