Nun aber stellt Lederer alles in Frage. „Es geht nicht um eine Entscheidung für oder gegen Chris Dercon“, sagt er zwar der „Berliner Zeitung“, aber meint weiter: „Es geht um die Frage: ist dieses Konzept tragfähig ohne dem Organismus Volksbühne einen irreparablen Schaden zuzufügen?“ Wie bitte soll Dercon, der noch nicht angefangen hat, mit so einem Satz denn nicht desavouiert werden? Wie unfair ist – bei allen Zweifeln – so ein Satz gegenüber jemandem, der noch nicht einmal die Chance hatte, seine Arbeit zu zeigen? So etwas Stilloses habe er in vierzig Jahren noch nicht erlebt, zürnte der Kunstexperte und Anwalt Dercons, Peter Raue, in der Boulevardzeitung „B. Z.“ Dercon selbst erklärte, er wolle weiterhin nach Berlin kommen.

 

Sollte der Vertrag trotzdem gelöst werden, würde es teuer fürs Land Berlin – denn die unterzeichnete Vereinbarung läuft über fünf Jahre. Nicht nur eine Millionenabfindung würde fällig. Schwerer noch trüge die Hauptstadt am Ruf, in solchen Entscheidungen auf dem internationalen Parkett kein verlässlicher Partner zu sein. Wer hat da noch Lust, Orte wie die Tate Modern zu verlassen, um nach Berlin zu kommen?

Dercon wird desavouiert

Und da beginnt auch die politische Brisanz von Lederers Aussage: Unterzeichnet hat den Vertrag der noch amtierende Kultursenator und Regierende Bürgermeister Michael Müller. Nach traditionellem machtpolitischen Regelwerk müsste man Lederers Aktion als Signal an die eigene Klientel werten und zugleich als eine Art Dominanzgeste. Nun hat sich aber diese Koalition ja vorgenommen, anders miteinander umzugehen, wozu vielleicht auch gehört, dass Lederer vorher darüber gesprochen hat, Dercon öffentlich anzweifeln zu wollen. Aus dem Roten Rathaus dringt bisher jedenfalls kein Wutgeschrei, und die Grünen haben sehr augenhöhenorientiert schon einen Runden Tisch vorgeschlagen.

Vielleicht entwickelt sich hier gerade eine neue Art Streitkultur. Der Ausgang des Experiments ist offen. Dass Klaus Lederer über seine Aussage „stolpert“, wie die „B. Z.“ insinuiert, ist jedenfalls eher unwahrscheinlich. Wer wollte, konnte schließlich seit August seine massive Kritik an der Personalentscheidung Dercon kennen. Damals hatte Lederer in einem Gastbeitrag zur Kulturpolitik der Hauptstadt im „Tagesspiegel“ für einen eigenständigen Kultursenator geworben und sich damit ins Gespräch für den Posten gebracht.

Lederer auf diesem Platz ist eine Überraschung

Dies war eine Überraschung. Bis dahin dachte man, in einem rot-rot-grünen Senat böte sich eher das Justizressort an. Lederer ist mit seinen 42 Jahren schon seit mehr als einem Jahrzehnt in der Landespolitik aktiv. 1974 in Schwerin geboren, verlebte er seine Kindheit in Frankfurt (Oder) und zog 14-jährig mit seiner Familie nach Berlin. Seit 1992 ist er Mitglied der PDS, inzwischen Linkspartei. Er promovierte an der Humboldt-Universität, seit 2003 sitzt er im Abgeordnetenhaus. Er erlebte die Jahre der rot-roten Koalition, das Kleinregiertwerden durch die SPD, die Rückkehr in die Opposition. Zur Regierungserfahrung kommt enorme Erfahrung im Moderieren, die er als Chef der Partei gesammelt hat. Lederer gilt als harter Verhandler.

Ein erklärungsbedürftiger Satz

Gerade eben schien die Wut über die Berufung des belgischen Museumsmannes Dercon an die Spitze der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz einer gewissen Bereitschaft zu weichen, sich inhaltlich mit Dercons Idee auseinanderzusetzen, aus der frakturbeschrifteten Volksbühne, seit 23 Jahren in der Intendanz von Frank Castorf, eine – in den Augen der Kritiker eventverdächtige – volksbuehne.de zu machen.

Nun stellt Lederer alles in Frage

Nun aber stellt Lederer alles in Frage. „Es geht nicht um eine Entscheidung für oder gegen Chris Dercon“, sagt er zwar der „Berliner Zeitung“, aber meint weiter: „Es geht um die Frage: ist dieses Konzept tragfähig ohne dem Organismus Volksbühne einen irreparablen Schaden zuzufügen?“ Wie bitte soll Dercon, der noch nicht angefangen hat, mit so einem Satz denn nicht desavouiert werden? Wie unfair ist – bei allen Zweifeln – so ein Satz gegenüber jemandem, der noch nicht einmal die Chance hatte, seine Arbeit zu zeigen? So etwas Stilloses habe er in vierzig Jahren noch nicht erlebt, zürnte der Kunstexperte und Anwalt Dercons, Peter Raue, in der Boulevardzeitung „B. Z.“ Dercon selbst erklärte, er wolle weiterhin nach Berlin kommen.

Sollte der Vertrag trotzdem gelöst werden, würde es teuer fürs Land Berlin – denn die unterzeichnete Vereinbarung läuft über fünf Jahre. Nicht nur eine Millionenabfindung würde fällig. Schwerer noch trüge die Hauptstadt am Ruf, in solchen Entscheidungen auf dem internationalen Parkett kein verlässlicher Partner zu sein. Wer hat da noch Lust, Orte wie die Tate Modern zu verlassen, um nach Berlin zu kommen?

Dercon wird desavouiert

Und da beginnt auch die politische Brisanz von Lederers Aussage: Unterzeichnet hat den Vertrag der noch amtierende Kultursenator und Regierende Bürgermeister Michael Müller. Nach traditionellem machtpolitischen Regelwerk müsste man Lederers Aktion als Signal an die eigene Klientel werten und zugleich als eine Art Dominanzgeste. Nun hat sich aber diese Koalition ja vorgenommen, anders miteinander umzugehen, wozu vielleicht auch gehört, dass Lederer vorher darüber gesprochen hat, Dercon öffentlich anzweifeln zu wollen. Aus dem Roten Rathaus dringt bisher jedenfalls kein Wutgeschrei, und die Grünen haben sehr augenhöhenorientiert schon einen Runden Tisch vorgeschlagen.

Vielleicht entwickelt sich hier gerade eine neue Art Streitkultur. Der Ausgang des Experiments ist offen. Dass Klaus Lederer über seine Aussage „stolpert“, wie die „B. Z.“ insinuiert, ist jedenfalls eher unwahrscheinlich. Wer wollte, konnte schließlich seit August seine massive Kritik an der Personalentscheidung Dercon kennen. Damals hatte Lederer in einem Gastbeitrag zur Kulturpolitik der Hauptstadt im „Tagesspiegel“ für einen eigenständigen Kultursenator geworben und sich damit ins Gespräch für den Posten gebracht.

Lederer auf diesem Platz ist eine Überraschung

Dies war eine Überraschung. Bis dahin dachte man, in einem rot-rot-grünen Senat böte sich eher das Justizressort an. Lederer ist mit seinen 42 Jahren schon seit mehr als einem Jahrzehnt in der Landespolitik aktiv. 1974 in Schwerin geboren, verlebte er seine Kindheit in Frankfurt (Oder) und zog 14-jährig mit seiner Familie nach Berlin. Seit 1992 ist er Mitglied der PDS, inzwischen Linkspartei. Er promovierte an der Humboldt-Universität, seit 2003 sitzt er im Abgeordnetenhaus. Er erlebte die Jahre der rot-roten Koalition, das Kleinregiertwerden durch die SPD, die Rückkehr in die Opposition. Zur Regierungserfahrung kommt enorme Erfahrung im Moderieren, die er als Chef der Partei gesammelt hat. Lederer gilt als harter Verhandler.

Mit seinem Mann wohnt er im gentrifizierten Stadtteil Prenzlauer Berg, also mitten in jenem schicken neuen Berlin, in dem es leicht überspitzt gesagt keine Alten, keine Armen und keine Dicken gibt. Die Stadt sei toll, wenn man sie sich leisten könne, sagte Lederer im Wahlkampf.

Kultur soll für alle da sein

Die Buntheit der Stadt finde man im Theater nicht wieder. Kultur solle nicht nur einem Teil der Stadtgesellschaft zur Verfügung stehen und nicht nur von einem Teil gemacht werden. Auch der Gastbeitrag über die Hauptstadtkultur beschäftigt sich mit Teilhabe und Zugängen zu Kultur. Lederer setzt dort das Ziel, dass alle Berliner unabhängig vom Geldbeutel Zugang zu den kulturellen Angeboten der Stadt haben müssten. Einen Anfang macht die Koalition nun mit einem kostenfreien Museumstag. Auch die soziale Situation von Künstlern möchte der künftige Kultursenator verbessern – mit ordentlicher Bezahlung, mit der Sicherung von Räumen.

„Es geht nicht allein darum, die reichhaltige Berliner Kulturlandschaft mit ihren Theatern, Opern, Museen, Orchestern und Gedenkstätten zu pflegen, Intendanten zu berufen oder für die freie Szene mehr Geld und passende Förderinstrumente zu finden“, schreibt Lederer. Er fordert eine „integrierende Kulturpolitik“, die auf soziale Herausforderungen reagiere. Was er da leisten will, klingt nach Spagat: Die Kulturpolitik müsse strukturell verknüpft sein mit Themen wie Bildung, Integration oder Kreativwirtschaft. Sein Amt, das wird deutlich, versteht er als eine Art Querschnittressort für geistige Stadtentwicklung. Im Prinzip eint ihn dieses Ziel mit Chris Dercon: Der möchte die ganze Stadt bespielen.