Hannes Rockenbauch ringt bei den Schlichtungsgesprächen im Rathaus mühsam um seine Rolle.

Stuttgart - Am runden Tisch fällt er unter all den Herren, die vorwiegend Anzüge in den verschiedensten Grautönen tragen, sofort auf. Hannes Rockenbauch trägt ein weißes T-Shirt mit einem für die Veranstaltung durchaus passenden Schriftzug in grüner Farbe: "Architecture is politics." Er betritt den Mittleren Sitzungssaal mit Schal. Aus seiner Jeanstasche baumelt ein gelbes Band, an dem ein Kärtchen hängt, das ihn als Sitzungsteilnehmer bei den Schlichtungsgesprächen ausweist.

Mit seinen 30 Jahren ist Hannes Rockenbauch deutlich jünger als fast alle anderen Teilnehmer der Schlichtungsrunden. Seit 2004 sitzt er für das Bündnis Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) im Gemeinderat. Er startete als linker Außenseiter, belächelt und von den bürgerlichen Parteien ignoriert. Dann jedoch wuchs der Protest gegen Stuttgart 21 zu einer Massenbewegung, und mit ihm wuchs die Popularität von Hannes Rockenbauch. Sie hat ihn bis an den Runden Tisch geführt, an dem über das wichtigste Infrastrukturprojekt in der Stuttgarter Nachkriegsgeschichte diskutiert wird.

"Sie haben momentan gar nicht das Wort."


Seit Ende Oktober wird im Rathaus über hochkomplexe Sachthemen gestritten. Hannes Rockenbauch, der neben Gangolf Stocker sitzt, ringt um seine Rolle. Als der Bahn-Manager Volker Kefer zu einem seiner Vorträge ansetzt, ruft er dazwischen. "Überprüfung? Was heißt denn das?", fragt Rockenbauch und wird umgehend von Heiner Geißler ermahnt: "Sie haben momentan gar nicht das Wort." Diesen Satz bekommt im Laufe der Schlichtungsgespräche kein Sitzungsteilnehmer häufiger zu hören als Rockenbauch.

Es scheint ihn nicht zu stören. Als es darum geht, ob das Projekt noch teurer wird, sieht er wieder den richtigen Moment für einen Zwischenruf gekommen: "Wer's zahlt, die Antwort können Sie nicht geben!" Während ein Experte der Projektbefürworter eine Folie auflegt, um Zusammenhänge zu verdeutlichen, fährt ihm der Jungstadtrat dazwischen: "Es reicht nicht, uns ein Powerpoint zu präsentieren. Das kann ich Ihnen auch schnell basteln, dass das alles so stimmt."

Seine Gegner erkennen in seinen Bemerkungen Ahnungslosigkeit


Seine Anhänger finden solche Einwürfe kritisch und frech. Seine Gegner wollen in solchen Bemerkungen weitgehende Ahnungslosigkeit erkennen, die sich durch schnoddrige Bemerkungen tarnt. Durch längere und fundierte Sachbeiträge ist Hannes Rockenbauch bei den Schlichtungsgesprächen bisher kaum aufgefallen. Viele seiner Einmischungen erinnern an den Stil seiner Anträge im Rathaus aus früheren Jahren: Da forderte er schon mal, das gesamte Straßennetz der Stadt in eine Tempo-30-Zone umzuwandeln.

In einem heißen Sommer des Protests spielte Hannes Rockenbauch auf der großen Bühne des Widerstands gegen Stuttgart 21 noch ein Hauptrolle: Weit vor dem Beginn der Abrissarbeiten am Nordflügel des Bonatzbaus kletterte Hannes Rockenbauch Ende Juli über ein Absperrgitter und wurde von der Polizei in Gewahrsam genommen. Der Provokateur stieg anschließend zu einem der Köpfe des Aktionsbündnisses auf - er wetterte mit markigen Sprüchen gegen die Bahn, die Banken und die vermeintliche Arroganz der Mächtigen in der Politik. Wie Auseinandersetzung aufder Straße funktioniert, weiß Rockenbauch von Studentendemos - schon damals ließ er sich von der Polizei wegtragen.

Bei den Schlichtungsgesprächen im Rathaus wird der linke Flügelstürmer hingegen regelmäßig zurechtgestutzt. Am Vormittag meldet sich Brigitte Dahlbender zu Wort, die Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz. Nach ihren Ausführungen bedankt sich Heiner Geißler demonstrativ bei ihr dafür, dass sie erst redete, nachdem sie auch an der Reihe war. Eine solch gute Kinderstube, befand der Schlichter, könne sich Herr Rockenbauch ruhig zum Vorbild nehmen.