Mit Gruselfaktor: Eva Hosemann inszeniert in Stuttgart im Alten Schauspielhaus Alan Ayckbourns Kriminalstück „Falsche Schlange“ – und setzt so den Auftakt zum Festival „Stuttgarter Kriminächte“. Und wie war’s?

Gruselig wirkt die Bühne im Alten Schauspielhaus: Links die heruntergekommene Fassade eines alten Hauses, rechts ein riesiger Käfig, der sich erst später als hoher Zaun eines Tennisplatzes entpuppt. Und tatsächlich ist das Elternhaus zweier Schwestern ein schauriger Ort, in dem Miriam Chester von ihrem dominanten, gewalttätigen Vater, den sie bis zu seinem Tod betreute, geradezu gefangen gehalten wurde.

 

Dieser Erpressungsversuch rächt sich schnell

„Falsche Schlange“ heißt das Kriminalstück, in dem Alan Ayckbourn drei sehr unterschiedliche Frauen aufeinanderprallen lässt. Miriams ältere Schwester Annabel hat die Familie als Jugendliche verlassen und kehrt nun nach dem Tod des Vaters zu ihrem Elternhaus zurück. Die Krankenschwester Alice Moody (tough: Bianca Spiegel), langjährige Pflegerin des Vaters, bezichtigt Miriam, ihn ermordet zu haben, indem sie ihn die Treppe hinunterstieß. Auch besitzt sie einen Brief des Vaters, in dem er die Befürchtung äußert, von seiner Tochter umgebracht zu werden. Nun verlangt Alice von den Schwestern hunderttausend Pfund, andernfalls würde sie Miriam wegen Mordes anzeigen. Das Geld haben die Töchter nicht. Was tun? Miriam schüttet der Krankenschwester irgendein schlimmes Zeug in den Wein, das diese buchstäblich zu Fall bringt. Das ist aber nur der Auftakt zu weiteren aberwitzigen Verwicklungen.

Bestechend kontrastiert Ayckbourn in seinem Stück die Schwestern. Lisa Widmann spielt die elegante Annabel elegant in Mantel und Pumps (Ausstattung: Tom Grasshof), überzeugend als eiskalte Ex-Geschäftsfrau, die gleichwohl vernünftig und geradlinig agiert. Ihre jüngere Schwester in Latzhosen geriert sich dagegen als armes, vernachlässigtes Kind; Christiane Dotzer verleiht ihr eindrucksvoll eine weiche und zugleich intensive Stimme. Ihrer geschockten Schwester gegenüber gibt sie zu, dem Vater eine dreifache Dosis Medizin verabreicht und ihm hernach einen Schubs in Richtung Treppe gegeben zu haben.

Gezwungen zum Tennisspielen

Was folgt, ist ein staunenswerter Mix aus Krimi, Psychothriller und Gruselstück. Dabei kommen sich die eigentlich so unterschiedlichen Schwestern nach und nach als beide vom Vater unerträglich Drangsalierte näher. Die Ältere versuchte er einst geradezu gewaltsam zum Tennisspielen zu zwingen, die Jüngere fesselte er ans Haus und verweigerte ihr die Eigenständigkeit.

Mehr und mehr gleitet die Krimihandlung über in eine hoch emotionale Schilderung einer abschreckenden Vater-Töchter-Beziehung. Schon glaubt der Zuschauer, er seit doch ein einem Familiendrama gelandet. Aber dann kommt alles ganz anders, so anders, dass man geradezu fassungslos auf das Bühnengeschehen blickt.

Das ist mal lustig, mal makaber

Das alles hat Eva Hosemann mit einer souveränen Personenführung inszeniert; und Christiane Dotzer entwickelt die zunächst naiv wirkende Miriam brillant zu einer geradezu unheimlichen Figur. Dieses Stück ist vieles zugleich: einerseits todtraurig, dann wieder lustig, mal mit makabren Pointen. In jedem Fall mit Überraschungen.

Termine Vorstellungen bis zum 20. April