Mit einem Programm auf höchstem Niveau startet der Weltweihnachtscircus in seine 22. Saison. Die Produzenten legen großen Wert auf atemberaubende Artistik und gepflegte Tiernummern. Die Show strotzt vor Höhepunkten und Tempo. Und es gibt Augenweiden – nicht nur bei der Pferdenummer der Familie Knie aus der Schweiz.

Stuttgart - Die großen Truppen kommen aus China und Russland, aus Korea und Kanada. Bekanntes und Überraschendes wechselt sich in der Manege ab, erstmals ist eine komische Zauberernummer dabei, bewährte Kräfte sind die Stützen der gekonnt inszenierten Show. Bei der Premiere am Freitag hat man gesehen, dass dazu die Schweizer Familie Knie mit ihren Pferden gehört, Roland und Petra Duss mit ihren Seelöwen und kühne Luftartisten aus Korea. Oder die Jongleurstruppe um Elena Drogaleva mit ungezählten Keulen in perfekter Choreografie. Dem Clown Fumagalli, der seinen Namen so feucht „Pfffummagalli“ ausspricht, fliegen die Herzen zu.

 

Stammbesucher aber vermissen Peter Goesmann, den Moderator in den vergangenen 19 Jahren. Er ist, gerade 60 Jahre alt, im Sommer überraschend verstorben – und nun trauert nicht nur die große Zirkusfamilie um ihn. Er selbst kann nicht ersetzt werden. Das war den Produzenten klar, und das ist den Zuschauern, die sich an den smarten Herrn im Frack gewöhnt hatten, auch klar. Deshalb wurden die Ansagen aufgeteilt. Fumagalli, sein Bruder Daris und andere Artisten wechseln sich ab mit einem Sprecher aus dem Off, dem Rundfunkmoderator Stefan Siller. Er übernimmt diesen Part sehr gekonnt, betont, beschönigt oder übertreibt aber nicht. Wenn aber eine russische Jongleurin die nächste Nummer ansagt, klingt dies einfach nicht professionell. Da merkt man, wie Goesmann das Ganze zusammengehalten, gestützt, ihm ein Gesicht und einen roten Faden gegeben hat. Und wie er den Zuschauern hie und da eine kurze Erholung ermöglicht hat.

Trampolin und Tempo

Aber es muss ohne Peter Goesmann weitergehen. Und jedes Programm braucht einen Reinzieher und einen Höhepunkt – und das vor und nach der Pause. Die Trampolinartisten „Catwall“ zeigen zu Beginn an ihrem hohen Gerüst, wie man Kunstturnen und Artistik zu einer atemberaubenden Melange verschmelzen kann, die Comedy und Hochleistung zugleich ist. Zum Schluss der ersten Hälfte demonstrieren Akrobaten aus Korea, was moderne Luftartistik heutzutage ist. Nun gut, den als erstmalig angekündigten vierfachen Salto einer Artistin haben wir schon vor Jahren gesehen – letztes Jahr war schon der Fünffache en vogue. Der ellenlange Flug eines koreanischen Artisten aber ist neu. Und bei der Premiere klappt alles. Na ja, fast.

Dazwischen immer wieder Comedy. Rosi Hochegger mit ihrem gescheckten Pferd Scout, das sich schlafen legt, oder Fumagalli und Daris mit der von den Zuschauern geliebten oder gehassten, jedenfalls uralten Clownsnummer „Bienchen gib mir Honig“. Die Familie Knie präsentiert Pferde in einer atemberaubend schönen viertelstündigen Darbietung – der Höhepunkt des ersten Teils. Zuerst Friesen, dann Schimmel, und dann Zebras miteinander im Ring. Eine herrliche Freiheitsdressur. Schade nur, dass Maycol Errani als Tierlehrer zu sehr im Mittelpunkt steht. Und echt peinlich wird es, wenn er zuvor seine Tochter als Zirkusprinzessin mit einem Pony auftreten lässt. Dass Vierjährige ihr Manegendebüt geben, mag eine Tradition der Familie Knie sein. Aber das ist nun wirklich nicht das Niveau des Weltweihnachtscircus.

Pyramiden bis zu sechs Mann hoch

Einen zweiten Teil gibt’s auch. Mit ikarischen Spielen zu Beginn – also Artisten, die ihre Kollegen liegend auf den Füßen herumwirbeln oder balancieren. Normal in einer solchen Nummer sind zwei oder drei Künstler. Dass dies 18 Akrobaten aus China zusammen tun, ist einmalig. Und ihre Pyramiden, riskant bis zu sechs Mann hoch, überfordern fast das Auge. Immer wieder nett sind die Ball- und anderen Spiele der Seelöwen – mit Fisch nach jedem Trick. Langsam und schnell zugleich und eine Augenweide sowieso ist das Luftballett der Russin Anastasia Makeeva in der Tücherschlinge. Und noch vieles andere fasziniert.

Was bleibt? Die Erinnerung an ein an Höhepunkten reiches Programm. Dass die Motorradnummer aus Sicherheitsgründen fehlt, ist schade, aber zu verschmerzen. Es hätte noch mehr Tempo reingebracht. So erinnert man sich gerne an die kraftstrotzende Schlussnummer der Hand-auf-Hand-Akrobaten aus China. Ovationen im Stehen für dieses Festmenü mit 20 Gängen.