Weil Eltern das Beste für ihre Kinder wollen, kommen bei der Suche nach der richtigen Schule immer häufiger private Anbieter ins Gespräch. Die Bandbreite ist groß und reicht von alternativen Einrichtungen bis hin zu teuren Kaderschmieden.

Stuttgart - Sanierungsbedürftige Gebäude, unmotivierte Lehrer, Unterrichtsausfall: seit dem Pisaschock vor zehn Jahren ist für viele Eltern das deutsche Schulsystem ein System mit vielen Schwachstellen. Weil sie das Beste für ihre Kinder wollen, kommen bei der Suche nach der richtigen Schule immer häufiger private Anbieter ins Gespräch. Die Überlegung ist einfach: Wer für etwas zahlt, ist Kunde, und wer Kunde ist, darf mehr erwarten. Kleine Klassen zum Beispiel oder mehr Unterricht auf Englisch. Laut einer Forsa-Umfrage würde sogar jeder Dritte sein Kind gern auf eine Privatschule schicken.

 

Die Bandbreite ist groß und reicht von alternativen Einrichtungen, bei denen die Kinder frei von Notendruck selbst entscheiden dürfen, was sie lernen, bis hin zu teuren Kaderschmieden. Es ist deshalb schwer zu beantworten, ob Privatschulen Eliteschulen sind.

Timothy Kelley hat am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, auf eine Eliteschule im klassischen Sinn zu gehen. Der Amerikaner, der die Internationale Schule in Degerloch leitet, ist in Boston aufgewachsen. Und da seine Eltern an einer teuren Privatschule unterrichtet haben, konnte ihr Sohn dieselbe Schule besuchen, ohne die hohen Gebühren zahlen zu müssen. Abgeschottet, eingebildet, reich – mit diesen Attributen beschreibt Kelley seine einstigen Mitschüler und deren Familien.

ISS-Leiter: „Wir sind keine elitäre Schule“

Und gerade weil Timothy Kelley auf einer – wie er sagt – elitären Schule war, sagt er aus tiefster Überzeugung über die Internationale Schule in Stuttgart (ISS): „Wir sind keine elitäre Schule, wir sind eine Gemeinschaftsschule.“

Tatsächlich tummelt sich hier eine bunte Mischung auf dem Campus – es gibt Kinder und Jugendliche vieler Nationalitäten, Religionen und Hautfarben. Und es wird auch nicht in einem Schloss unterrichtet, sondern in einem modernen, nüchternen Bau zwischen Gewerbegebiet, Kleingartenanlage und Bauernhof. „Einige unserer Schüler werden die ersten in ihrer Familie sein, die studieren werden“, sagt Timothy Kelley. Andere aber – und diese Gruppe überwiegt deutlich – stammen aus sehr wohlhabenden Familien. Denn im Schnitt liegt das Schulgeld bei 12 000 Euro im Jahr.

Kleinere Klassen und motiviertere Lehrer

Das liegt vor allem daran, dass das Kultusministerium die ISS als Ergänzungsschule einstuft und diese damit keine Fördergelder bekommt. Der Lehrplan der ISS ist unabhängig von dem der staatlichen Schulen und orientiert sich an dem weltweiten Verband internationaler Schulen. Die meisten Schüler streben als Abschluss das International Baccalaureate Diploma an, eine Art internationales Abitur. Zudem gibt es eine Prüfung am Ende der zehnten Klasse, die die deutsche Kultusministerkonferenz als Mittlere Reife anerkennt.

Die meisten Eltern sind nur für ein paar Jahre in Stuttgart und arbeiten bei großen Unternehmen wie Bosch und Daimler oder bei mittelständischen Unternehmen. Oft zahlen die Firmen das Schulgeld. Weil sich aber auch deutsche Familien viel davon versprechen, wenn ihr Kind auf Englisch unterrichtet und den ganzen Tag betreut wird, gibt es viele Anfragen von deutschen Familien. Über Zahlen wollen Kelley und die Schulsprecherin Valerie Lark-Webler in diesem Zusammenhang nicht sprechen, aber so viel sagen sie: Es können nicht alle Bewerber aufgenommen werden, und internationale Familien haben immer Vorrang.

An der Merzschule gibt es keinen Frontalunterricht

Jan Schlimgen ist Geschäftsführer des Verbands deutscher Privatschulen Baden-Württemberg. Er wirbt für den „Mehrwert, der bei Privatschulen rauskommt“. Die Klassen seien meistens kleiner und die Lehrer motivierter. Für jede Begabung und jedes Interesse gebe es an Privatschulen besondere Förderungen.

Als Beispiel nennt Schlimgen die Merzschule: „Das ist eine Eliteschule des Sports.“ Es ist auch die Einrichtung, die neben der ISS im Ruf steht, nur Kinder aus reichen Familien zu betreuen. Dagegen wehrt sich der Schulleiter Konstantin Merz. „Ich habe ein Problem mit dem Begriff elitär, nicht aber mit dem Begriff Elite. Es wäre ja schlimm, wenn wir keine Elite in Deutschland hätten.“ Von Eltern, deren Kinder andere Schulen besuchen, hört man immer mal wieder den Vorwurf, dass man sich an der Merzschule quasi das Abitur erkaufen kann – darauf erwidert Merz: Alle müssten die Prüfungen machen, die das Kultusministerium vorgibt.

Anders aber sei, dass es auf der Geroksruhe keinen sturen Frontalunterricht gebe, dafür Spanischunterricht von Muttersprachlern, ein großes Sportangebot und zusätzliche Fächer wie Rhetorik, den musischen Nachmittag (unter anderem mit Stepptanz) sowie Handwerkunterricht von Meistern (in der Metallwerkstatt, Buchbinderei, Druckerei, Schreinerei).