Sport: Dominik Ignée (doi)

Keine Frage, niemand wird Sebastian Vettel für seinen Egotrip auf der Überholspur auf ewig verfluchen, zählt der 25-Jährige doch zu den aufgeschlossensten Piloten der Vollgasbranche. Mehr als ein schmieriger Ölfleck wird aber haften bleiben an der vormals so weißen Rennweste des dreifachen Weltmeisters. Immerhin weiß nun alle Welt, dass auch eine große Portion Selbstsucht im Charakter des schmächtigen Burschen aus Heppenheim schlummert. Immerhin stellte er in Sepang seine Einzelinteressen kaltblütig über die des Rennstalles – und über die des Teamkollegen Mark Webber sowieso. Die sieben WM-Punkte mehr für die Fahrerwertung, die Vettel mit seiner blindwütigen Aktion einheimste, werden den Imageverlust nicht aufwiegen. Denkste, sagen sich hier zwar einige Vettel-Jünger, denen wie ihrem Meister im Erfolgsrausch die Pferdestärken durchgehen: „Aus eben diesem Holz sind die ganz Großen der PS-Branche geschnitzt!“, heißt es aus ihrer Ecke. Doch die Zeiten der rücksichtslosen Rennmachos sind vorbei.

 

Vettels Claqueure übersehen, dass gerade im Spitzensport zwar immer noch allzu oft der Zweite der erste Verlierer ist, aber ebenso großen Wert legen die Sponsoren, teils in millionenschweren Imagekampagnen, inzwischen auf Werte wie Fairness und Moral. Als Beispiel dient der Radsport, in dem die gewissenlosen Dopingbetrüger Lance Armstrong und Co. die Geldgeber en gros verjagt haben. Da kommt es auch in der Glitzerwelt Formel 1 nicht gut an, wenn der Paradepilot eines globalen Getränkemultis seinem Kollegen mit einer unfairen Rennnummer in den Siegestrunk spuckt.

Eine unrühmliche Vorteilsnahme

Schließlich beinhaltete Vettels Manöver auch eine unrühmliche Vorteilsnahme. Hatte der bis zehn Runden vor Schluss führende Mark Webber doch die Teamorder befolgt – und seine Motorleistung auf 80 Prozent gedrosselt. Über Für und Wider des Teamgehorsams zu sprechen hat hier aber keinen Sinn. Erinnert sei nur an die Zeit, als die Stallorder in der Formel 1 offiziell verboten war – und die Teams mit hanebüchenen Schummeleien letztlich doch die gewünschte Rangfolge auf dem Zielstrich herstellten.

Ein geltendes Reglement ist bindend, egal wie der einzelne Fahrer persönlich dazu steht. Im Fußball muss sich selbst ein vierfacher Torjäger dem Willen seines Trainers beugen, sollte ihn dieser per Auswechslung vom Feld holen wollen. Anders funktioniert Mannschaftssport – und auch das ist die Formel 1 – nun einmal nicht.

Schließlich beinhaltete Vettels Manöver auch eine unrühmliche Vorteilsnahme. Hatte der bis zehn Runden vor Schluss führende Mark Webber doch die Teamorder befolgt – und seine Motorleistung auf 80 Prozent gedrosselt. Über Für und Wider des Teamgehorsams zu sprechen hat hier aber keinen Sinn. Erinnert sei nur an die Zeit, als die Stallorder in der Formel 1 offiziell verboten war – und die Teams mit hanebüchenen Schummeleien letztlich doch die gewünschte Rangfolge auf dem Zielstrich herstellten.

Ein geltendes Reglement ist bindend, egal wie der einzelne Fahrer persönlich dazu steht. Im Fußball muss sich selbst ein vierfacher Torjäger dem Willen seines Trainers beugen, sollte ihn dieser per Auswechslung vom Feld holen wollen. Anders funktioniert Mannschaftssport – und auch das ist die Formel 1 – nun einmal nicht.

Neben der Imagekrise existiert für Vettel bei Red Bull nun auch ein gewaltiges Vertrauensproblem. Die eigenen Rennchefs durch den egomanen Ungehorsam düpiert und zudem Mark Webber maßlos verärgert, muss der Deutsche neu um Sympathien werben. Michael Schumacher ist ein großer Rennfahrer – aber innig geliebt wurde der „Schummel-Schumi“, dem auf dem Weg in die Rekordbücher der Formel 1 fast jedes Mittel recht war, von wenigen.

Sebastian Vettel wird (vorerst) ebenfalls mit dem Makel leben müssen, ein rücksichtsloser Ehrgeizling zu sein. Zieht er nicht die richtigen Schlüsse aus dem Blindflug von Malaysia, könnte er bald der ungeliebten Sonderling sein, der schon jetzt auf dem Weg zu weiteren Titeln dem Gegenwind der Konkurrenz standhalten muss.

Dominik Ignée hat etwas gegen Moralapostel

Jetzt dürfen diejenigen, denen der nette Herr Vettel aus Heppenheim schon unheimlich geworden ist wegen seines vorbildlichen Charakters, endlich mit dem Finger auf ihn zeigen und herausrufen: Ha, also doch nichts weiter als ein Egomane! Kein bisschen besser als alle anderen. Und schon gar nicht besser als Michael Schumacher, dem für den WM-Erfolg ja auch jeder Trick ins Konzept passte.

Der Unterschied ist nur: Schumacher hätte sich niemals entschuldigt. Vettel hat es getan. Das ehrt ihn. Und es könnte sein Ansehen ein wenig retten vor den selbst ernannten Moralaposteln, die jetzt aus ihren Ecken stapfen und sich päpstlicher darstellen als der Papst. Aber die Frage ist doch die: wem gegenüber hat sich Sebastian Vettel unfair verhalten? Etwa gegenüber Mark Webber, der schon gezeigt hat, dass er sich lieber zurückfallen lässt, als dem Partner Vettel auf dem Weg zum Titel zu helfen? Und hat sich Vettel etwa unfair gegenüber dem Team Red Bull verhalten, das das Rennen in Malaysia mehr als zehn Runden vor Schluss beenden wollte mit dem Befehl an die Piloten, ganz langweilig hintereinander an der Zielflagge vorbeizutuckern? Ist das Racing? Ist das die Show, die die Zuschauer verdient haben, die mehr als 300 Euro für eine lausige Formel-1-Eintrittskarte auf den Tisch knallen?

Ist es nicht. Die Teamorder hebelt die sportliche Grundtugend, wonach der Schnellere gewinne, auf zweifelhafte Weise aus. Und warum? Weil es Red Bull ums Geld geht und nicht um den richtigen Sieger. Wären sich Vettel und Webber bei dem Überholmanöver in die Autos gefahren, hätte das wichtige Punkte im Kampf um die Dollar-Millionen kosten können, die es für die Platzierung in der Konstrukteurswertung zu ernten gibt. So aber sollte der Deutsche ausgebremst werden – genauso wie Nico Rosberg, der den bei Mercedes offenbar als Nummer eins installierten Superstar Lewis Hamilton im selben Rennen nicht passieren durfte, obwohl er mehr Power hatte. Zweimal Stallorder im erst zweiten Saisonrennen. Ist das ehrlicher Sport?

Auf die Anklagebank gesetzt

Hamilton schämte sich, Rosberg schluckte es – und Vettel wird jetzt auf die Anklagebank gesetzt, weil er sich gegen das vom Team konstruierte Ergebnis im Zuge seines grundehrlichen Sportverständnisses gewehrt hat. Natürlich soll man sich an Absprachen innerhalb einer Mannschaft halten – ein Arbeitnehmer kann auch nicht gegen Befehle von oben handeln. Doch darf sich jeder im Übereifer auch mal einen Fehler erlauben und ausbrechen. Dass sich nun auch die Red-Bull-Chefs unter die Moralapostel mischen, ist insofern verwunderlich, da sie Webber ja auch schon einmal mit schlechterem Material ausgestattet hatten, um Vettel auf Titelkurs zu halten.

Wer die Formel 1 verfolgt, der weiß, dass sich dort mitnichten nur Gutmenschen tummeln. Vor allem der auch etwas verlogene Milliardenzirkus steht nicht im Verdacht, besser zu sein als der Planet, auf dem er sich befindet. Vettels nicht einwandfreies, doch aber wohltuend selbstbestimmtes Handeln, das die finanziell motivierten Tricksereien seines Teams entlarvte, zu verurteilen und den Charakter des Piloten infrage zu stellen, ist also heillos überzogen. Nur wer Kante zeigt, wird Weltmeister – auch wenn es mal ein bisschen Ärger gibt.