Das geplante Gesetz schafft Planungssicherheit für die Unternehmen – das liegt im Interesse der Gesamtbelegschaft, findet Roland Pichler:

 

Hartnäckig hält sich das Vorurteil, dass das geplante Gesetz zur Tarifeinheit vor allem die Arbeitgeber glücklich machen soll. Das ist ein Irrtum. Die große Koalition will in den Fällen, in denen unterschiedliche Tarifverträge für ein und dieselbe Berufsgruppe gelten, für Klarheit sorgen. Maßgeblich soll künftig bei Streitigkeiten der Tarifvertrag jener Gewerkschaft sein, die im Betrieb über die meisten Mitglieder verfügt. Das liegt nicht nur im Interesse der Unternehmen, sondern der gesamten Belegschaft. Sichtbares Zeichen dafür ist, dass die Initiative für ein Gesetz von den Tarifpartnern ausgegangen ist: Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Arbeitgeberverbände fordern seit 2010 eine Regelung. Seit fünf Jahren verspricht die Politik, etwas zu tun. Sie steht im Wort.

Das Gesetz ist notwendig, damit die Unternehmen verlässlich planen können. Über mehr als fünf Jahrzehnte hat sich durch die Rechtsprechung das Prinzip „ein Betrieb, ein Tarifvertrag“ bewährt. Das schaffte klare Verhältnisse: Harte Tarifauseinandersetzungen hat es immer gegeben. Sobald der Konflikt beigelegt war, kehrte aber wieder Ruhe ein. Für die Laufzeit der Tarifverträge hatten Betriebe Planungssicherheit. Das gilt heute nur noch eingeschränkt. Kleine, spezialisierte Gewerkschaften, die sich um einzelne Berufsgruppen kümmern, haben zum Teil lange Tradition. Deren Bedeutung steigt auch deshalb, weil die Gewerkschaften miteinander konkurrieren.

Das schafft neue Probleme, wie sich am Beispiel eines Flughafens zeigt: Wenn in einem Monat die Flughafenfeuerwehr im Ausstand ist, danach hintereinander das Sicherheitspersonal und die Gepäckdienste ihre Arbeit niederlegen, wird das nicht nur für das Unternehmen zum Problem. Auch die Mitarbeiter haben nichts davon, wenn in einem Betrieb eine Tarifauseinandersetzung die nächste jagt. Zugegeben: Deutschland ist kein Land, das ständig durch Streiks lahmgelegt wird. Gleichwohl ist es richtig, dass die Koalition handelt. Es geht um ein Gesetz gegen Rosinenpickerei und für mehr Solidarität. Wer den gesetzlichen Eingriff ablehnt, riskiert, dass die Tarifautonomie noch mehr Schaden nimmt.