Das Internet, so sieht es der selbst ernannte Interneterklärer Sascha Lobo, war einmal das Versprechen von Demokratisierung, sozialer Vernetzung und digitalen Freiräumen. In diesem „Möglichkeitsraum“ habe stets die Utopie einer besseren Welt mitgeschwungen. Diese Utopie ist längst zerstoben, man denke nur an den NSA-Spähskandal. Doch dies ist kein Grund, ohne Not den letzten Rest an Lobos „Möglichkeiten“ preiszugeben. Deshalb muss die Netzneutralität erhalten bleiben.

 

Die Entwicklung unserer digitalen Gesellschaft bringt eine Explosion des Datenvolumens mit sich. Der uneingeschränkte und gleichberechtigte Zugang zu diesem Datenverkehr ist Voraussetzung für einen Hauch von Demokratie im Internet. Genau dies meint der Begriff Netzneutralität. Er definiert, dass alle Daten gleichzubehandeln sind, es darf beim Datentransport keinen Unterschied geben – weder beim Zugang noch bei der Geschwindigkeit. Dass es schon heute Ausnahmen von diesem hehren Ziel gibt, dass trickreiche Anbieter auch in Zukunft Umgehungslösungen finden werden – geschenkt. Es geht ums Prinzip.

Das Ansinnen der Netzbetreiber, die Netzneutralität auszuhebeln, ist verständlich. Um das gewaltige Datenvolumen auch in Zukunft bewältigen zu können, müssen sie ihre Netze verstärken und ausbauen. An den Kosten wollen sie die Kunden beteiligen. Beispielsweise über kostenpflichtige Überholspuren auf der Datenautobahn. Wer eine bevorzugte Behandlung, ein hohes Übertragungstempo wünscht, der soll dafür bezahlen. Entweder wird dies der Anbieter (etwa Streamingdienste wie Netflix) sein oder der Endkunde, der seinen Film ruckelfrei anschauen möchte, oder sogar beide.

Wenn der Datentransport jedoch dem freien Spiel der Kräfte überlassen wird, dann ist dies ein weiterer Schritt zur Zementierung der Marktmacht. Die großen Spieler wie Google, Amazon, Facebook oder Netflix werden sich problemlos die Maut für ihre Überholspur leisten können. Die kleineren Firmen, die Start-ups, die innovativen Newcomer werden auf die Kriechspur verwiesen. Wenn sie überhaupt noch auf die Autobahn gelassen werden. Ohne Netzneutralität gibt es endgültig keine Chancengleichheit und keinen fairen Wettbewerb mehr im Internet – und obendrein wird die Innovationskraft des digitalen Marktes geschwächt. Dies sind Schläge auf das digitale Rückgrat unserer Gesellschaft, die jeder Einzelne spüren wird.

Es liegt an der Politik, diese Entwicklung zu verhindern. Sie hat in der digitalen Welt nicht mehr allzu viele Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten. Doch die Netzneutralität kann sie festschreiben. US-Präsident Barack Obama setzt sich dafür ein, die EU-Staaten diskutieren darüber, und die Bundesregierung hat sie in ihrem Koalitionsvertrag stehen. Es wird Zeit, dass die politisch Verantwortlichen sich auch zur digitalen Daseinsvorsorge bekennen. (Michael Maurer)

Die Entwicklung unserer digitalen Gesellschaft bringt eine Explosion des Datenvolumens mit sich. Der uneingeschränkte und gleichberechtigte Zugang zu diesem Datenverkehr ist Voraussetzung für einen Hauch von Demokratie im Internet. Genau dies meint der Begriff Netzneutralität. Er definiert, dass alle Daten gleichzubehandeln sind, es darf beim Datentransport keinen Unterschied geben – weder beim Zugang noch bei der Geschwindigkeit. Dass es schon heute Ausnahmen von diesem hehren Ziel gibt, dass trickreiche Anbieter auch in Zukunft Umgehungslösungen finden werden – geschenkt. Es geht ums Prinzip.

Das Ansinnen der Netzbetreiber, die Netzneutralität auszuhebeln, ist verständlich. Um das gewaltige Datenvolumen auch in Zukunft bewältigen zu können, müssen sie ihre Netze verstärken und ausbauen. An den Kosten wollen sie die Kunden beteiligen. Beispielsweise über kostenpflichtige Überholspuren auf der Datenautobahn. Wer eine bevorzugte Behandlung, ein hohes Übertragungstempo wünscht, der soll dafür bezahlen. Entweder wird dies der Anbieter (etwa Streamingdienste wie Netflix) sein oder der Endkunde, der seinen Film ruckelfrei anschauen möchte, oder sogar beide.

Wenn der Datentransport jedoch dem freien Spiel der Kräfte überlassen wird, dann ist dies ein weiterer Schritt zur Zementierung der Marktmacht. Die großen Spieler wie Google, Amazon, Facebook oder Netflix werden sich problemlos die Maut für ihre Überholspur leisten können. Die kleineren Firmen, die Start-ups, die innovativen Newcomer werden auf die Kriechspur verwiesen. Wenn sie überhaupt noch auf die Autobahn gelassen werden. Ohne Netzneutralität gibt es endgültig keine Chancengleichheit und keinen fairen Wettbewerb mehr im Internet – und obendrein wird die Innovationskraft des digitalen Marktes geschwächt. Dies sind Schläge auf das digitale Rückgrat unserer Gesellschaft, die jeder Einzelne spüren wird.

Es liegt an der Politik, diese Entwicklung zu verhindern. Sie hat in der digitalen Welt nicht mehr allzu viele Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten. Doch die Netzneutralität kann sie festschreiben. US-Präsident Barack Obama setzt sich dafür ein, die EU-Staaten diskutieren darüber, und die Bundesregierung hat sie in ihrem Koalitionsvertrag stehen. Es wird Zeit, dass die politisch Verantwortlichen sich auch zur digitalen Daseinsvorsorge bekennen. (Michael Maurer)

Kontra Netzneutralität: Widersinniger Netz-Kommunismus

Zwei-Klassen-Internet – wem würden sich bei einer solchen Perspektive nicht die Nackenhaare sträuben? In der Tat wäre es bedrohlich, wenn Telekommunikationsfirmen den Datenstrom beliebig beschleunigen oder behindern könnten, je nachdem, wer Geld in ihre Kasse spült.

Es gibt nur ein kleines Problem: Klassen technischer Art gibt es im Internet schon längst. Das gute alte World Wide Web, dieser von Suchmaschinen erschlossene, grenzenlose Tummelplatz beschreibt nicht mehr die ganze Realität des Internets. Das Netz wird immer mehr zum Rückgrat für eine Vielzahl an Kommunikationsdiensten, ob Fernsehen oder Telefonie, ob Netze für autonomes Fahren oder Fernoperationen im Krankenhaus. Wenn die Netzanbieter nicht heute schon anspruchsvollen Diensten Vorrang gewähren würden, dann würden sich etwa die Nutzer des auch hierzulande populär werdenden Internet-TV über wacklige Bilder beklagen. Der Slogan von der Freiheit des Internets vernebelt nur die Kernfrage: Wer bezahlt?

Gleichbehandlung aller Daten heißt im Zeitalter der Flatrate-Tarife, dass Vielnutzer subventioniert werden. Profiteure sind vor allem diejenigen, die per Internetfernsehen ihre Filme in HD-Auflösung konsumieren, während Gelegenheitssurfer draufzahlen – getreu der Parole: Oma zahlt für Videosüchtige. Die Niederlande haben im Jahr 2012 als erstes Land in Europa die Netzneutralität gesetzlich festgeschrieben. Ein Jahr später ging Netflix, der große Internet-TV-Anbieter aus den USA an den Start und okkupierte sogleich ein Fünftel der Netzkapazitäten, Tendenz steigend. Da Videodaten dennoch vorrangig behandelt werden müssen, geht das auf Kosten der Übertragungsqualität für alle anderen. Einen Anreiz zum verstärkten Netzausbau bietet das Gesetz aber nicht. Vom Netz-Kommunismus profitieren nicht niederländische Start-ups, sondern ein kapitalistischer Gigant aus den USA.

Natürlich braucht es eine Regulierung, die garantiert, dass kleine Anbieter von Internetvideos nicht mehr bezahlen als Google oder Netflix. Doch es muss und wird in Zukunft im Internet verschiedene Dienste- und Qualitätsklassen mit unterschiedlichen Preisen geben, jedenfalls dann, wenn man das Breitbandnetz marktwirtschaftlich betreiben will. Und das bietet sich schon deshalb an, weil hier anders als bei Straßen und Schienen die Infrastrukturbetreiber miteinander konkurrieren und es kein natürliches Monopol gibt.

Wer es für unzumutbar hält, dass diejenigen, die mehr Übertragungskapazität und -qualität wollen, mehr bezahlen, muss sagen, woher das Geld für den Netzausbau kommen soll. Heute engagiert sich der Staat nur begrenzt, etwa durch Zuschüsse für ländliche Gebiete. Man kann das Internet zum Teil der Daseinsvorsorge erklären. Dann bekommt die Quittung der Steuerzahler – und es regiert die Bürokratie. (Andreas Geldner)