SPD-Familienministerin Schwesig hat nach einem zähen Ringen in der großen Koalition einen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Prostitution vorgelegt. Etliche Kritikpunkte wie die Kondompflicht für Freier bleiben. Der Erfolg des Gesetzes ist ungewiss.

Berlin - Die rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer ist Geschichte. Während manche ihrer Reformen lange nachwirkten, verfehlte ein anderes Projekt deutlich sein Ziel. Per Gesetz schaffte Rot-Grün 2002 die Sittenwidrigkeit der Prostitution ab und schuf Regeln, die es Prostituierten möglich machten, ihren Lohn einzuklagen oder den Schutz der Sozialkassen zu erlangen. Nicht Schutz vor Prostitution sollte mehr das Ziel sein, sondern Schutz in der Prostitution.

 

Dies ist nicht wirklich gelungen. Nach 2002 entwickelten sich Großbordelle, in denen zur Profitmaximierung entwürdigende Angebote wie der so genannte Flatrate-Sex oder Gangbang-Partys zum Geschäftsmodell gehören. Die Behörden hatten dagegen keinerlei Handhabe, weil Bordelle nach 2002 als reguläre Unternehmen galten. Genau das will die große Koalition nun ändern. Die Bundesregierung berät derzeit einen 140-seitigen Gesetzentwurf von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), der für alle Formen der Prostitution – sei es im Bordell, beim Escort-Service oder im Wohnwagen – eine Erlaubnispflicht vorsieht. Diese Erlaubnis soll die Behörde nur erteilen, wenn der Betreiber als „zuverlässig“ gilt – wenn er zum Beispiel nicht wegen Menschenhandels vorbestraft ist oder einem verbotenen Rockerclub angehört. Auch muss der Betreiber in einem Geschäftskonzept nachweisen, dass er Auflagen für die Gestaltung der Räume oder der Hygiene einhält. Weder Flatrate-Sex noch Gangbang-Partys darf er anbieten. Bei Verstößen drohen Bußgelder bis zu 50 000 Euro oder gar ein Entzug der Betreibererlaubnis.

Anmeldung ist künftig Pflicht

Die Prostituierten müssen sich anmelden und regelmäßig das Gesundheitsamt für eine Beratung aufsuchen. Damit geht keine verpflichtende medizinische Untersuchung einher. Den so genannten Bockschein, den es früher gab, führt die große Koalition nicht wieder ein. Sehr wohl verbietet sie ungeschützten Geschlechtsverkehr mit Prostituierten – mit einer Kondompflicht für Freier. Das Prinzip Schutz in der Prostitution, das seit 2002 gilt, will Schwarz-Rot also in die Tat umsetzen.

Ob die Kondompflicht dazu beiträgt, ist offen. Manche sehen darin reine Symbolpolitik, weil niemand kontrollieren könne, ob die Pflicht eingehalten werde. Andere weisen darauf hin, dass die Kondompflicht es den Prostituierten leichter mache, Nein zu sagen und sich einem Freier zu verweigern, der ungeschützten Sex verlange. Diese Einschätzung teilt auch das Familienministerium. Staatssekretär Ralf Kleindiek weist auch Vorwürfe zurück, wonach die Anmeldepflicht Prostituierte in die Illegalität dränge. Dies soll gerade nicht stattfinden. Mit dieser Pflicht und den Gesundheitsberatungen will Berlin vielmehr erreichen, dass Prostituierte Zugang zu Information und Hilfen bekommen – auch über den Ausstieg aus dem Milieu, wenn dieser Wunsch aufkommt.

Junge Frauen müssen öfter zur Beratung

Der Gesetzentwurf zur Regelung der Prostitution war zwischen Union und SPD lange beraten worden, weil es anfangs ganz unterschiedliche Positionen auf beiden Seiten gab. So hatten CDU/CSU verlangt, das Mindestalter für Prostituierte auf 21 festzulegen. Damit setzte sich die Union nicht durch. Sie erreichte nur, dass bei 18 bis 21 Jahre alten Prostituierten kürzere Intervalle für die Anmeldung und die Gesundheitsberatung gelten als bei über 21-Jährigen. Im Herbst wird der Gesetzentwurf auch mit den Ländern beraten. Er ist zwar im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig, könnte also auch ohne entsprechendes Votum der Länder in Kraft treten. Dass sich Regierung und Bundesrat einigen, ist aber sehr wahrscheinlich. So hatte der Bundesrat in einer Entschließung vom April 2014 unter anderem eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten verlangt.