Und plötzlich ist das Leben nicht mehr, wie es war: Im Brandstifter-Prozess berichten die Opfer von den schrecklichen Minuten in der brennenden Laube.

Stuttgart - Vom „Stückle“ seines Vaters erzählt der 29-Jährige, auf dem er und seine Freunde türkischer und italienischer Herkunft am 9. April feiern wollten. Am Ende des Abends auf den Streuobstwiesen von Winterbach im Rems-Murr-Kreis fand er sich, zu Tode verängstigt, in einer brennenden Gartenlaube wieder – angegriffen von Rechtsradikalen, die laut Anklage aus „dumpfer, ausländerfeindlicher Gesinnung heraus“ handelten. „Wir haben uns wie Deutsche gefühlt“, sagt der 29-Jährige. Er wirkt lebhaft, aufgebracht, ungläubig. „Von einer Stunde auf die nächste wurde mein Leben auf den Kopf gestellt.“

 

Seit Montag müssen sich zwei der mutmaßlichen Täter wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht verantworten. So viele Menschen an jenem Abend zugegen waren, allein 70 Anhänger der rechten Szene feierten auf dem Nachbargrundstück, so wenig habhafte Aussagen gibt es bis jetzt, wie die Situation derart eskalieren konnte.

Backpfeifen gegen die Panik

29 Zeugen sollen Aufklärung leisten. Am Mittwoch hat die 3. Kammer mit der Vernehmung der mutmaßlichen Opfer begonnen, von denen sechs auch Nebenkläger sind. Wie der 29-Jährige, der bis heute unter Albträumen leidet. „Ich habe Angst alleine zu Hause. In meine Werkstatt traue ich mich gar nicht mehr“, erzählt er. Vor allem die Minuten, in denen er zusammen mit vier weiteren in der brennenden Laube eingeschlossen war, erlebe er immer wieder. Vor der Hütte hätten drohend Rechte gestanden, als er hörte, wie Flüssigkeit gegen die Latten plätscherte. „Erst dachte ich, da pinkelt jemand.“ Heute vermutet er: es war Grillanzünder. Als Nächstes hörte er das Knistern von Holz. Seinen panischen Freunden habe er Backpfeifen verpasst, damit sie durchhielten. Er alarmierte die Polizei. „Raus! Lieber verschlagen werden als verbrennen!“, habe der Beamte gedrängt. Überstürzt hechteten sie aus der Laube, der Mann stolperte über die dunklen Wiesen, brach sich den Arm, rannte weiter.

Unklar ist, was dem Angriff vorausging. Im Hintergrund eines der drei Notrufe ist zu hören: „Weißt du, warum die Sache angefangen hat? Wegen eurer Scheiße.“ „Was ist damit gemeint?“, hakt der Richter nach. Keine Ahnung, sagt der 29-Jährige.

Zeugen verstricken sich in Widersprüchen

Auch der andere Zeuge, ein 20-Jähriger italienischer Herkunft, gibt darauf keine Antwort. Er verstrickt sich in Widersprüche zu Aussagen, die er kurz nach dem Übergriff gegenüber der Polizei gemacht hat – bis er sich zum Schluss, von Richter und Staatsanwalt in die Mangel genommen, an gar nichts mehr erinnern will. Im April 2011 berichtete er noch von zehn Nazis mit Springerstiefeln vor der Hütte, in einer späteren Vernehmung waren es noch drei, heute will er niemanden gesehen haben. „Das ist Mist, was Sie hier erzählen“, entfährt es dem an sich besonnenen Staatsanwalt. „Wenn Sie das aus Angst sagen, dass draußen jemand auf Sie wartet, ist das auch eine Falschaussage“, belehrt der Richter.

Der Prozess ist bis Ende Mai terminiert.