Im Verfahren gegen den Vater des Amokschützen Tim K. werden am Freitag erste Plädoyers erwartet. Tim K. hatte bei seinem Amoklauf vor vier Jahren 15 Menschen getötet.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Winnenden/Wendlingen - Nach zwei Monaten neigt sich der Prozess gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden (Rems-Murr-Kreis) und Wendlingen (Kreis Esslingen) dem Ende zu. Am Freitag wird mit der Befragung eines Gutachters am Stuttgarter Landgericht die Beweisaufnahme abgeschlossen. Wenn danach keine weiteren Anträge gestellt werden, könnte die Anklage zu Wort kommen: Die Staatsanwaltschaft rechnet damit, bereits am Freitag ihr Plädoyer halten zu können.

 

Der psychiatrische Sachverständige hat am vergangenen Prozesstag erklärt, dass das Massaker auch für Experten kaum vorhersehbar gewesen sei. Zwar habe der 17 Jahre alte Tim K. unter einer „leichten kombinierten Persönlichkeitsstörung“ gelitten, dies gelte aber auch für bis zu 100 000 Menschen in Deutschland. Bei vielen von ihnen sei diese Problematik sogar viel stärker als bei dem Amokläufer. Ohne Zugang zu Schusswaffen könnten sie aber keine Massentötungen begehen, so der Experte. Dies sei entscheidend.

Tim K. hat vor vier Jahren 15 Menschen erschossen

Tim K. hat am 11. März 2009 bei einem Amoklauf 15 Menschen und sich selbst erschossen sowie 14 weitere Personen verletzt. Sein Vater wurde daher wegen fahrlässiger Tötung in 15 und fahrlässiger Körperverletzung in 14 Fällen sowie eines Verstoßes gegen das Waffengesetz bereits vor zwei Jahren in einem Prozess am Stuttgarter Landgericht zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Sie wurde zur Bewährung ausgesetzt. Wer seine Waffen ungenügend sichere, müsse damit rechnen, dass ein anderer damit Menschen töte oder verletzte, so die Richter. Die Tatwaffe des Amokläufers und die Munition gehörten dem Vater.

Der Bundesgerichtshof entschied jedoch, dass der Fall wegen eines Verfahrensfehlern in die Revision gehen müsse. In diesem weiteren Prozess kamen bisher aber kaum neue Erkenntnisse ans Licht. So verweigerten Ärzte und Therapeuten des Klinikums Weinsberg, in dem Tim K. wegen psychischer Probleme ein Dreivierteljahr vor dem Massaker in fünf Sitzungen ambulant behandelt worden war, mit Hinweis auf ihre ärztliche Schweigepflicht die Aussage. Auch die ehrenamtliche Begleiterin der Familie, die nochmals in den Zeugenstand gerufen wurde, trug nicht zur Klärung der Frage bei, ob die Eltern gewusst hatten, dass ihr Sohn einen „Hass auf die Welt“ hegte. Im ersten Prozess hatte sich die Frau widersprochen und schließlich die Aussage verweigert. Das hatte zur Folge, dass die Verteidigung sie nicht befragen konnte – der Kern für die Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs. Im zweiten Prozess machte die Frau Gedächtnislücken geltend: Sie könne sich nicht mehr erinnern, ob der Vater von den psychischen Problemen seines Sohnes gewusst habe.

Gericht erfährt von Tim K.s „Hass auf die Welt

Über einen Umweg weiß das Gericht nun aber doch Genaueres: Aus beschlagnahmten Computernotizen der Frau geht hervor, dass die Eltern von Tim K. wenige Tage nach dem Amoklauf der Betreuerin erzählt haben sollen, der Junge habe im Jahr 2008 mit einer Ärztin über seinen „Hass auf die Welt“ gesprochen. Die Verteidiger des Vaters betonen indes, dass ihr Mandant nichts von psychischen Problemen des Jungen geahnt habe. Er habe daher nur gegen das Waffengesetz verstoßen.

Bisher war das Urteil für Ende Januar vorgesehen. Wegen der Vielzahl möglicher Plädoyers der Nebenkläger, deren fast 20 Anwälte ebenfalls jeder für sich das Recht auf ein Plädoyer haben, verzögert sich der Richterspruch wahrscheinlich.