Das Landgericht Stuttgart will an mehreren Prozesstagen klären, ob die 28-Jährige schuldfähig ist. Die Frau hat zugegeben, dass sie die Täterin ist, sie sagt aber auch, aus Verzweifelung und Angst gehandelt zu haben. Die Beute, rund 4300 Euro, habe sie nicht interessiert.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Winnenden/Stuttgart - Die Tat ist weitgehend geklärt und dennoch befasst sich das Landgericht Stuttgart derzeit ausgiebig mit einem Raubüberfall auf einen Drogeriemarkt in der Winnender Innenstadt. Am 7. Juni dieses Jahres sind dabei zwei Menschen von der 28-jährigen Täterin mit einem Schälmesser verletzt worden. Der Staatsanwalt erklärte am Rande der Verhandlung am Dienstag, dass er davon ausgehe, dass die Frau schuldunfähig, weil psychisch krank sei.

 

Die Angeklagte, die zurzeit in einer Psychiatrie untergebracht ist, hat vor der 7. Großen Strafkammer eingeräumt, dass sie den Raub begangen hat. Sie hat allerdings nicht von einem Raub gesprochen, sondern eine Verzweiflungstat geschildert. Sie habe nicht mehr ein noch aus gewusst, habe weder in der Psychiatrie bleiben wollen, noch einen ehemaligen Lehrer davon überzeugen können, sie vorübergehend für eine Nacht aufzunehmen. Nach dieser Nacht habe sie eigentlich nach Paris „abhauen“ wollen. Warum gerade nach Paris? Diese Frage konnte die Frau vor dem Kadi nicht schlüssig beantworten. Sie habe viele Ängste gehabt, vor einem Ex-Freund, vor dem ehemaligen Chef, angeblich einem Zuhälter, und vor einer Mitpatientin, die gedroht habe, sie des nachts umzubringen.

Das Messer angeblich zufällig in der Tasche gehabt

Schließlich habe sie, quasi aus Verzweiflung, unmittelbar nach dem Treffen mit dem ehemaligen Lehrer spontan beschlossen, den Drogeriemarkt in der Winnender Innenstadt zu überfallen. Die Tat habe sie nicht begangen, um Geld zu erbeuten – obgleich sie etwa 15 000 Euro Schulden habe. Sie habe vielmehr ins Gefängnis gesperrt werden wollen, um in Sicherheit zu sein. Das Messer habe sie zufällig in der Tasche gehabt, sie habe es am Tag zuvor gekauft, um sich in Paris verteidigen zu können.

Sie erklärte, am Abend des 7. Juni das Messer lediglich in der Hand gehalten und von der Kassiererin verlangt zu haben, dass sie alles Geld herausrücke. Sie habe die Kassierin nicht wirklich bedroht und hätte sie wegen des Abstands auch gar nicht verletzten können.

Der Richter indes erklärte, die Kassierein habe zu Protokoll gegeben, dass sie mit vorgehaltenem Messer sehr wohl bedroht worden sei. Die Angeklagte sagte aus, sie habe das Geld nach dem Raub in einen Mülleimer geworfen und dann selber die Polizei gerufen.

Den Großteil des geraubten Gelds – insgesamt rund 4300 Euro – hatte sie aber wieder aus dem Mülleimer geholt. Aber nicht, wie sie betonte, um es zu behalten, sondern um später tatsächlich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt zu werden.

Sie raucht seit vielen Jahren

Überwältigt worden war die Frau von Passanten. Zwei dieser Männer waren von ihr mit dem Messer verletzt worden, einer am Arm, einer am Fuß. Das sei keinesfalls ihre Absicht gewesen, sagte die Angeklagte vor Gericht. Sie habe sich entschuldigt.

Am ersten Verhandlungstag wurde klar, dass die 28-Jährige aus einer Familie stammt, in der es immer wieder Probleme gab. Der Vater türkischer Moslem, die Mutter christliche Griechin. Sie habe sich mal stark zum Islam hingezogen gefühlt, dann wieder nicht. Sie und ihre Geschwister seien zeitweise im Kinderheim gewesen. Obwohl sie offenbar eine gute Schülerin war, habe ihr Vater es abgelehnt, dass sie eine weiterführende Schule besucht. Mit 17 sei sie von daheim abgehauen. Seither habe sie oft Marihuana geraucht, auch am Tag des Raubs.