Es war im Sommer 2006: Ganz Deutschland befand sich im kollektiven Fußballtaumel, und sogar mich packte die Begeisterung derart, dass ich mit einigen Freunden zum Public Viewing auf den Stuttgarter Schlossplatz pilgerte. Dort wurde an einem Samstag im Juni das Achtelfinale gegen Schweden übertragen.

 

Die Sonne brannte unerbittlich auf den Talkessel herab, es gab weit und breit keinen Schatten. Noch während man auf den Einlass aufs Gelände wartete, fühlte man sich wie ein Hähnchen auf dem Grill. Unser VfB-erprobter Freund ermahnte uns daher pausenlos, nur ja genügend Wasser zu trinken. Die Vorstellung, inmitten von tausenden von Menschen zu kollabieren, fand ich so gruselig, dass ich brav ein 0,5-Liter-Tetrapack nach dem anderen leerte. Das wiederum hatte zur Folge, dass ich mich zielsicher genau in dem Moment in einem der Dixihäuschen befand, als Deutschland ein Tor schoss. Noch während ich mich durch die Menschenmassen zurück zu meinen Freunden kämpfte, fiel das zweite Tor. Davon sah ich allerdings wenig, weil mir ein Zwei-Meter-Mann in diesem Augenblick die Sicht versperrte. Ich ärgerte mich: Nur um Tore in der Wiederholung zu sehen, muss man sich nun wirklich nicht 90 Minuten bei 30 Grad plus zwischen lauter schwitzende Menschen quetschen.

Viele Tetrapacks Wasser später fasste ich daher einen folgenschweren Entschluss: Die weiteren Spiele würde ich mir gemütlich vom heimischen Wohnzimmer aus ansehen. Dort war es relativ kühl, ich konnte bequem auf dem Sofa sitzen und hatte viel Platz um mich herum. Dass ich mich während des Spiels nicht mehr in einem Dixihäuschen aufhielt, führte wohl aber dazu, dass Deutschland im Halbfinale gegen Italien kein einziges Tor schoss. Dennoch werde ich es bei dieser WM wieder riskieren und die Spiele zu Hause verfolgen – Jogis Jungs treffen hoffentlich trotzdem. Kathrin Zinser

Lebhafte Diskussionen gehören ebenfalls zu einem Fußballabend – da schwätzen wildfremde Menschen plötzlich angeregt miteinander und das ist gut so. Public Viewing ist Schmiermittel für die Gesellschaft, in der sonst jeder nur noch auf das Display seines Smartphones starrt und seine Mitmenschen rundum gar nicht mehr wahrnimmt. Außerdem gibt es wohl kaum eine andere Gelegenheit, bei der so viele „Experten“ auf einem Fleck versammelt sind. Ganz nebenbei und anhand praktischer Beispiele lernt da selbst die größte Fußballniete Ruckzuck die Grundregeln dieses Sports.

Keine Frage: Public Viewing ist eine prima Sache. Dabei sein werde ich allerdings nicht. Denn der allergrößte Vorteil dieser Fernsehsessions in Gemeinschaft ist, dass fernab dieser Treffpunkte himmlische Ruhe und Leere herrscht. Der Wald gehört einem an diesen Fußballtagen fast ganz allein. Jogger und Radfahrer? Fehlanzeige. Die Autofahrt von A nach B dauert nur halb so lang wie sonst. Den Vierbeiner kann man an solchen Tagen unbesorgt ohne Leine im Park springen lassen, weil keiner da ist, der sich beschweren könnte. Im Supermarkt freuen sich die gelangweilte Käsefachverkäuferin und die Kassiererin wie Bolle über ein wenig Kundschaft und in der sonst ständig völlig überfüllten Kneipe um die Ecke herrscht plötzlich freie Platzwahl. Anpfiff an diesem Donnerstag, 17 Uhr – ich kann’s kaum noch erwarten. Annette Clauß

Jubeln kann man auch zu Hause

Es war im Sommer 2006: Ganz Deutschland befand sich im kollektiven Fußballtaumel, und sogar mich packte die Begeisterung derart, dass ich mit einigen Freunden zum Public Viewing auf den Stuttgarter Schlossplatz pilgerte. Dort wurde an einem Samstag im Juni das Achtelfinale gegen Schweden übertragen.

Die Sonne brannte unerbittlich auf den Talkessel herab, es gab weit und breit keinen Schatten. Noch während man auf den Einlass aufs Gelände wartete, fühlte man sich wie ein Hähnchen auf dem Grill. Unser VfB-erprobter Freund ermahnte uns daher pausenlos, nur ja genügend Wasser zu trinken. Die Vorstellung, inmitten von tausenden von Menschen zu kollabieren, fand ich so gruselig, dass ich brav ein 0,5-Liter-Tetrapack nach dem anderen leerte. Das wiederum hatte zur Folge, dass ich mich zielsicher genau in dem Moment in einem der Dixihäuschen befand, als Deutschland ein Tor schoss. Noch während ich mich durch die Menschenmassen zurück zu meinen Freunden kämpfte, fiel das zweite Tor. Davon sah ich allerdings wenig, weil mir ein Zwei-Meter-Mann in diesem Augenblick die Sicht versperrte. Ich ärgerte mich: Nur um Tore in der Wiederholung zu sehen, muss man sich nun wirklich nicht 90 Minuten bei 30 Grad plus zwischen lauter schwitzende Menschen quetschen.

Viele Tetrapacks Wasser später fasste ich daher einen folgenschweren Entschluss: Die weiteren Spiele würde ich mir gemütlich vom heimischen Wohnzimmer aus ansehen. Dort war es relativ kühl, ich konnte bequem auf dem Sofa sitzen und hatte viel Platz um mich herum. Dass ich mich während des Spiels nicht mehr in einem Dixihäuschen aufhielt, führte wohl aber dazu, dass Deutschland im Halbfinale gegen Italien kein einziges Tor schoss. Dennoch werde ich es bei dieser WM wieder riskieren und die Spiele zu Hause verfolgen – Jogis Jungs treffen hoffentlich trotzdem. Kathrin Zinser