Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)


Diese Erziehung prägt ihn – bis heute. Genauso wie die Erinnerung an die gemeinsame Zeit mit Ingo Reidl. Nach dem Kindergarten folgen die Grundschule und das Gymnasium. "Wir hatten denselben Schulweg und haben uns immer an der Bushaltestelle gesehen. Aber Ingo war damals nicht mein bester Freund", sagt Roland Bless. "Wir waren einfach zu unterschiedlich. Ingo wusste immer ganz genau, was er wollte, nämlich Klavier spielen."

Hartmut Engler hat nach Klavierunterricht gefragt


Später, als sich die beiden über die Musik angefreundet haben, sagt Reidl einmal zu ihm: "Roland, du wirst dein Leben lang nicht wissen, wo du hingehörst." So ganz falsch habe Ingo Reidl mit dieser jugendlichen Analyse nicht gelegen, sagt Roland Bless heute. Er selbst hätte, so der Wunsch des Vaters, Trompete lernen sollen. Doch in einem Abstellraum in der Schule entdeckt Roland Bless ein Schlagzeug – und seine Liebe für das Rhythmusinstrument.

Seine erste Band heißt Vancouvers Flight. "Wir haben Beatles-Songs nachgespielt." Mit Ingo Reidl und ein paar anderen Mitschülern gründet Bless dann 1975 die Gruppe Crusade. Er selbst übernimmt dabei zunächst die Doppelfunktion als Schlagzeuger und Sänger. Die Band tingelt durch Jugendhäuser in Stuttgart und der Region und erspielt sich eine größere Fangemeinde, die Crusade auch in abgelegenere Orte folgt.

Das Konzert in Beutelsbach soll das Leben von Bless und Reidl verändern. Bless hat die Dämmung für seine Basstrommel vergessen. Er fragt, ob ihm einer der Fans den Parka leihen könne. Noch heute erinnert er sich gut daran, wie dieser schüchterne Junge zur Bühne kam: "Er sagte, er sei ein großer Fan von uns und fragte, ob ihm Ingo Klavierunterricht geben könne." Der Junge heißt Hartmut Engler.

Der Rest ist Geschichte: 1976 gibt Engler sein Debüt als Sänger von Crusade im Liederkranzhaus in Bietigheim. Drei Jahre später kommt Joe Weber als Bassist dazu, ein Jahr später komplettiert Gitarrist Rudi Buttas das Schülerquintett, das sich fortan Opus nennt.

Mit 20 Mark nach Südfrankreich


Nebenher führen die Musiker ein Zweitleben: Als Coverband Moonstone verdienen sie an den Wochenenden in Amiclubs in Süddeutschland das Geld, mit dem sie 1983 ihr Debütalbum "Opus" finanzieren. Zwei Jahre später folgt "Vorsicht zerbrechlich". In dieser Zeit verkörpert die Band das, was später zum Pur-Mythos wird: Bis zuletzt hat die Gruppe versucht, das Image von den fünf Freunden, die gemeinsam durch Dick und Dünn gehen, aufrechtzuerhalten. "In den Anfangsjahren ist es wirklich so gewesen", sagt Roland Bless.

1985 landete die österreichische Band Opus ihren Welthit "Life is life", was in Bietigheim zu der Erkenntnis führte, dass man sich einen neuen Namen suchen musste: Pur erblickte das Licht der Welt – und scharte immer mehr Fans um sich. Der Weg zur Profikarriere war vorgezeichnet. Für Roland Bless stellte sich die Frage, ob er dem Wunsch des verstorbenen Vaters folgen und einen "ordentlichen Beruf" lernen oder ob er sein Glück als Musiker versuchen sollte.

1986 trampte er mit seiner Gitarre auf dem Rücken und 20 Mark in der Tasche nach Südfrankreich. Vier Wochen später kam er um viele Erfahrungen reicher und mit 4000 Mark im Gepäck zurück. Die Entscheidung war gefallen. Es folgte der Bundesrocksieg 1986, im Jahr darauf der erste richtige Plattenvertrag. Roland Bless avancierte zusätzlich zum Manager der Band. Doch aller Anfang ist schwer: Das Debüt "Pur" verkaufte sich damals 12000-mal – mehr als ein Achtungserfolg war das nicht.