Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Dem Räuber widmet die Stuttgarter Landesbibliothek zu seinem Fünfzigsten eine Ausstellung. Der Thienemann-Verlag veranstaltet zu seinen Ehren ein Kinderfest und bringt eine kolorierte Sonderausgabe auf den Markt. Viel mehr wird sich nicht feiern lassen, weil schon alles gefeiert ist. Die Augsburger Puppenkiste brachte den Hotzenplotz 1967 auf die Marionettenbühne. Er wurde mit Gerd Fröbe in der Hauptrolle verfilmt. 1979 folgte die Leinwandversion des zweiten Teils. Ihn wollte Preußler nie schreiben, ebenso wenig wie den dritten, aber seine Leser flehten ihn an. Vor sechs Jahren verfilmte Gernot Roll den Räuber neu. Es gibt ihn selbstverständlich als Theaterspiel und sogar als Kinderoper. Letzteres erst seit drei Jahren.

 

Geschrieben wurde über Hotzenplotz – stilistisch vielleicht ein klein wenig schwer verdaulich: „Die Geschichte vom Räuber Hotzenplotz ist zum Beispiel aus psychoanalytischer Sicht eine lustbesetzte Bewältigungshilfe für die Spannungen, die aus der notwendigen Auseinandersetzung mit egozentrischen Bedürfnissen — verkörpert durch den Räuber — und deren sozialen und moralischen Beschränkungen — verkörpert durch den Wachtmeister Dimpfelmoser — resultieren und die die Entwicklungsprozesse bei einem Kind prägen.“ Oder: „Und obwohl der Räuber Hotzenplotz ein liebenswertes Böses ist, so ist er doch böse genug, genau diese heile Welt in Gefahr zu bringen.“ Das erste Zitat stammt aus einem Buch über Literatur, die zur Therapie von Kindern geeignet ist, das zweite aus „Problemlösung und Kommunikation im Management“.

Der da helfen soll Kinder zu therapieren und Unternehmen zu leiten, war einst eine aus Frust gezeugte Kopfgeburt. Anfang der 1960er brütete Preußler monatelang über seinem „Krabat“. Wie elendig die Geschichte voran kroch und wie oft sie dabei verendete, mag verdeutlichen, dass sie erst zehn Jahre später erschien. Preußler entschied, zur Zerstreuung einfach etwas Lustiges zu schreiben. So entstand der Hotzenplotz samt dem Wachtmeister Alois Dimpfelmoser und dem Zauberer Petrosilius Zwackelmann, als den Geist beflügelnde Entspannungsübung. Wenn überhaupt, lässt sich nur mit einem Zitat Preußlers erklären, wie auf diese Art ein solcher Welterfolg entstehen konnte. Es ist die Antwort auf die Frage, ob es noch zeitgemäß sei, Kindern Geschichten von Feen, Räubern und Zauberern zu erzählen: „Darauf kann ich nur antworten, dass ich das nicht nur für richtig, sondern für wichtig halte – für lebenswichtig, um es genau zu sagen.“