Auf dem Stuttgarter Schlossplatz erregt ein Paar durch seine Erregung öffentlichen Anstoß. StZ-Kolumnist Erik Raidt schreibt über diesen öffentlichen Nahverkehr in der Großstadt.

Stuttgart - Immer wieder heißt es, dass der öffentliche Nahverkehr in Stuttgart nicht funktioniere, aber das ist grottenfalsch. Im öffentlichen Nahverkehr flutscht es absolut problemlos – ein Pärchen wollte das diese Woche auf dem Schlossplatz unbedingt beweisen. Normalerweise läuft der Nahverkehr am Schlossplatz unterirdisch ab, Stadtbahnen folgen diskret den für sie festgelegten Spuren. In diesem Fall jedoch verlegte das Pärchen den persönlichen Verkehr auf die Wiese auf dem Schlossplatz, es war Montag, 16 Uhr, und überraschenderweise gab es Publikum.

 

Das Publikum sah unweit des Staatstheaters eine Aufführung von „Schlossplatz und Gomorrha“. Die Inszenierung fiel bei Teilen der Zuschauer komplett durch, obwohl die Leute keine gültigen Tickets für die Veranstaltung gelöst hatten und damit juristisch gesehen kein Anspruch auf eine Beförderung des guten Geschmacks bestand. Kurz darauf klingelte bei der Polizei das Telefon. Empörte Bürger berichteten von den Verkehrsbelästigungen. Das Pärchen sei an diesem Tag wohl mit einem Triebwagen angereist.

Es sprießen zarte Koalitionsknospen

In der Kulturredaktion der Stuttgarter Polizeipressestelle hieß es in einer Besprechung des Stücks später, dass die beiden auf dem Schlossplatz, „offenbar sexuelle Handlungen an sich vorgenommen haben“. Dies lässt Spielraum für Interpretationen: Der Rezensent war sich augenscheinlich nicht hundertprozentig sicher, was auf der Liegewiese gespielt wurde und ob die beiden eher gemeinsam spielten, also miteinander Handlungen vornahmen, oder ob sie zwar zusammen auf der Wiese lagen, aber jeder für sich handelte.

Die Angelegenheit belegt die ungeheure Komplexität des öffentlichen Nahverkehrs, was sich jeder bewusst machen sollte, der vorschnell über diesen schimpft.

Das ganze Theater hat aber auch seine positiven Seiten. Spätestens jetzt weiß jeder: es früht und blüht in der Stadt. In den Sträuchern rund um den Schlossplatz sprießen zarte Koalitionsknospen – wer sich eben noch stritt, spaziert morgen schon händchenhaltend um den Landtag.

Auch für das Schlossplatz-Pärchen ging die Nummer glimpflich aus. Es wurde von der Polizei im Streichelwagen aufs Revier gebracht.

Rosarote Grüße, Erik Raidt