Wenn man als Kunde nicht das geliefert bekommt, was man bestellt hat, ist der Frust groß – egal ob es sich um einen Bahnhof oder um ein Fast-Food-Menü handelt. StZ-Kolumnist Erik Raidt hat den Wutburger entdeckt.

Stuttgart - Viele Jahrzehnte, bevor angeknabberte Äpfel und soziale Netzwerke aus dem Silicon Valley in Mode kamen, galt der Schwabenkessel als brodelnde Ursuppe des Erfindergeists. Aus Stuttgart stammen wegweisende Innovationen aus dem Bereich des Automobilbaus und der Damenunterwäsche, hier wurden der Matrosenanzug zur vollkommenen Schönheit und die Laugenbrezel zum kulinarischen Kunstwerk veredelt. Auch im gesellschaftlichen Bereich spuckte die große Innovationsmaschine immer neue Phänomene aus. Während zuerst der schwäbische Liberalismus und später das schwäbische Im-Keller-Lachen allgemeine Aufmerksamkeit erregten, staunte die Republik in der jüngeren Vergangenheit über den Stuttgarter Wutbürger.

 

Um den Wutbürger ist es zuletzt etwas leiser geworden, wenn auch nicht ganz still. Jeden Montag kommt es zu leichten Eruptionen des Volkszorns, Experten schließen nicht aus, dass der Vulkan irgendwann erneut ausbricht. Kürzlich gab es einen Vorgeschmack darauf, wie dies aussehen könnte: In einem Fast-Food-Restaurant machte ein unzufriedener Gast seinem Ärger dadurch Luft, dass er die Bedienung mit einem Burger bewarf. Dem Polizeibericht zufolge verfehlte das Geschoss die Kellnerin nur knapp.

Science Fiction in Stuttgart

Bei der Rekonstruktion des Tathergangs gelang es den Beamten, die Ursache für den Angriff zu ermitteln. Der vesuvisch temperierte Gast hatte offenbar einen anderen Burger bestellt, als jenen, der in seiner Pappschachtel gelandet war. Von diesem Punkt aus ist es nur noch ein gedanklicher Katzensprung bis zu Stuttgart 21. Auch dort waren und sind viele Kunden der Meinung, einen anderen Bahnhof bestellt zu haben als jenen, der ihnen nun eines fernen Tages geliefert werden soll. Ihrer Ansicht nach sollte die Bahn künftig nicht mehr von einer Fertigstellung des Tiefbahnhofs sprechen, sondern lieber zugeben, dass es sich um ein Science-Fiction-Projekt mit dem Arbeitstitel „2084“ handelt.

Eines kann der Bahn dabei niemand vorwerfen: beim Bahnhofsbau Fast Food zu liefern. Die Fleischklops-Attacke aus dem Polizeibericht ereignete sich übrigens in einem Restaurant im Hauptbahnhof. Das kann kein Zufall sein. Nach dem Wutbürger hat Stuttgart seinen Wutburger.

Entspannte Grüße, Erik Raidt