Der Höhepunkt der Feierlichkeiten naht: Auftritt La Folie. Es sind die zehn Minuten, für die sich diese „Platée“ szenisch lohnen. Ana Durlovski spielt diese Folie als Soul-Rock-Göre zum Wegschmeißen toll, eine Gitarre umgehängt, x-beinig auf roten Pumps daherknickend schielt sie zugedröhnt ins Mikrofon, eine Anspielung auf einen der verko(r)ksten Auftritte von Amy Winehouse, Gott hab sie selig. Dass sich die Kostümdesignerin Anna Eiermann hier die Winehouse-Ikonografie verkneift – pechschwarze Haare, Sixties-Lidstrich, Tattoos – ist ihr hoch anzurechnen. So wird ein Act draus, und Durlovksi girrt, röhrt, kotzt, zwitschert und trällert bis zum hohen E ihre Bravour-Ariette „Aux langueurs d’Apollon“, ein furioser Moment der Entfesselung, einer, in dem Identitätsfindung mit Selbstzerstörung zusammenfällt.

 

Darin könnte der Beginn einer Erzählung liegen, ein Bild, in dem sich die Tragik der Platée-Figur spiegelt. Doch uneingebunden in einen Reflexionsbogen bleibt es eine Galanummer. Mehr nicht – auch wenn die Stuttgarter aus dem Häuschen sind. Ana Durlovski steht allein als stimmlicher Lichtpunkt der Produktion, die ansonsten vokal ziemlich enttäuscht, bei aller darstellerischen (und bewundernswerten) Entäußerung. Thomas Walker als Platée fehlt die farbliche Variabilität und technische Sicherheit. Immer sehr gefährdet in der Höhe, singt er mehr mit Willen als frei schwingenden Tönen, da würde ein solides Atemfundament helfen.

Christian Curnyn gibt ein großartiges Debüt als Dirigent

Ebenfalls Probleme mit der für das französische Barock typischen Haute-contre-Lage hat Cyril Auvity als Mercure, er säuselt überm System, während André Morsch als sein Liebster Cithéron seinen Bariton feinmechanischer einsetzen könnte. Nebenrollen bleiben für Shigeo Ishino als unsauber intonierender Momus, Yuko Kakuta als aparte Clarine, Rebecca von Lipinski als gruftige Muse Thalie und Sophie Marilley als zickende Junon.

Die Auflösung der Farce – nach seiner Erniedrigung jagt Platée alle von der Bühne – bleibt ein szenisch unbefriedigender Schluss: einfach mal so niedersinken, Licht aus geht nicht. Der Dirigent Christian Curnyn hat die als Komödie maskierte Tragödie hier genau erfasst, indem er die letzten drei G-Dur-Akkorde leicht verzögernd breit nimmt. Der britische Dirigent, der sich strikt im Barockrepertoire bewegt (Mozarts „Così“ gehört eher zu den Ausnahmen) ist der Mann des Abends. In einem Workshop von Bernhard Forck, dem Konzertmeister der Akademie für Alte Musik Berlin, im Umgang mit Barockbögen und adäquater Agogik vorbereitet, brilliert das Staatsorchester mit einer grandiosen Leistung, cremig und souverän erledigen die Oboen ihren konditionsraubenden Auftrag, buttrig setzen die Fagott den Bass, auf dem die Streicher Lichtlinien ziselieren.

Eine Revue mit dollen Lichteffekten

So reibt sich die Inszenierung matt am selbst auferlegten Konflikt, der keiner ist, und rettet sich in die episodenhafte Maskerade. An die Nummern von Rameaus wunderherrlicher Musik rangehängt reiht sich ein gespielter Witz an den anderen. Jubel, Applaus, Facebook-das-gefällt-mir garantiert. Eine Revue unterm schnieken Showlicht von Reinhard Traub, auf ansteigendem spiegelschwarzem Boden, der Blick sonst offen auf Hinter- und Seitenbühne. Achtung, Achtung: Maschinentheater (Bühne: Susanne Gschwender). Hier fliegt nun Andreas Wolf als Jupiter, ein hochtoupierter Dämelgott, auf einem Kronleuchter herbei, verwandelt sich mal in einen Esel mit Mordspimmel, dann in eine Eule – Platée verlangt es aber nach dem Brautschleier. Jupiter tackert lieber auf seiner Spielkonsole herum. Nebenbei befingern sich Mercure und Cithéron.

Ana Durlovski gibt die Soul-Rock-Göre

Der Höhepunkt der Feierlichkeiten naht: Auftritt La Folie. Es sind die zehn Minuten, für die sich diese „Platée“ szenisch lohnen. Ana Durlovski spielt diese Folie als Soul-Rock-Göre zum Wegschmeißen toll, eine Gitarre umgehängt, x-beinig auf roten Pumps daherknickend schielt sie zugedröhnt ins Mikrofon, eine Anspielung auf einen der verko(r)ksten Auftritte von Amy Winehouse, Gott hab sie selig. Dass sich die Kostümdesignerin Anna Eiermann hier die Winehouse-Ikonografie verkneift – pechschwarze Haare, Sixties-Lidstrich, Tattoos – ist ihr hoch anzurechnen. So wird ein Act draus, und Durlovksi girrt, röhrt, kotzt, zwitschert und trällert bis zum hohen E ihre Bravour-Ariette „Aux langueurs d’Apollon“, ein furioser Moment der Entfesselung, einer, in dem Identitätsfindung mit Selbstzerstörung zusammenfällt.

Darin könnte der Beginn einer Erzählung liegen, ein Bild, in dem sich die Tragik der Platée-Figur spiegelt. Doch uneingebunden in einen Reflexionsbogen bleibt es eine Galanummer. Mehr nicht – auch wenn die Stuttgarter aus dem Häuschen sind. Ana Durlovski steht allein als stimmlicher Lichtpunkt der Produktion, die ansonsten vokal ziemlich enttäuscht, bei aller darstellerischen (und bewundernswerten) Entäußerung. Thomas Walker als Platée fehlt die farbliche Variabilität und technische Sicherheit. Immer sehr gefährdet in der Höhe, singt er mehr mit Willen als frei schwingenden Tönen, da würde ein solides Atemfundament helfen.

Christian Curnyn gibt ein großartiges Debüt als Dirigent

Ebenfalls Probleme mit der für das französische Barock typischen Haute-contre-Lage hat Cyril Auvity als Mercure, er säuselt überm System, während André Morsch als sein Liebster Cithéron seinen Bariton feinmechanischer einsetzen könnte. Nebenrollen bleiben für Shigeo Ishino als unsauber intonierender Momus, Yuko Kakuta als aparte Clarine, Rebecca von Lipinski als gruftige Muse Thalie und Sophie Marilley als zickende Junon.

Die Auflösung der Farce – nach seiner Erniedrigung jagt Platée alle von der Bühne – bleibt ein szenisch unbefriedigender Schluss: einfach mal so niedersinken, Licht aus geht nicht. Der Dirigent Christian Curnyn hat die als Komödie maskierte Tragödie hier genau erfasst, indem er die letzten drei G-Dur-Akkorde leicht verzögernd breit nimmt. Der britische Dirigent, der sich strikt im Barockrepertoire bewegt (Mozarts „Così“ gehört eher zu den Ausnahmen) ist der Mann des Abends. In einem Workshop von Bernhard Forck, dem Konzertmeister der Akademie für Alte Musik Berlin, im Umgang mit Barockbögen und adäquater Agogik vorbereitet, brilliert das Staatsorchester mit einer grandiosen Leistung, cremig und souverän erledigen die Oboen ihren konditionsraubenden Auftrag, buttrig setzen die Fagott den Bass, auf dem die Streicher Lichtlinien ziselieren.

Curnyn ist nicht nur ein wunderbar aufmerksamer, agiler Musiker, er dirigiert auf die Szene hinauf, hat Timing, weiß, wann er an den Applaus anschließen muss, ohne dass es Löcherkäse gibt. Er ist zugleich ein Klangfarbenmagier und -dramaturg. Wie er im zweiten Akt das D-Dur-Menuett für Streicher immer leiser, durchsichtiger werden lässt, wird der Tanz zu einer Trauerminiatur. Auch in Platées Auftrittsarie im ersten Akt gibt er einen Tropfen Melancholie ins F-Dur – stilistisch könnte die Ariette badine beinahe von Händel stammen. So demonstriert Curnyn mit leichter Hand, dass hinter all den Tanzsätzen, den Tambourins und Musetten eine ins Groteske gewendete Tragédie lyrique liegt. Da hat der Dirigent mehr erfasst, als der Regiemeisterdieb Bieito bieten kann.