In der Rangliste der umsatzstärksten Unternehmen im Südwesten gibt es Bewegung bei den Zulieferern. Etliche große Unternehmen bauen mit Zukäufen ihre Position aus.

Stuttgart - In den vergangenen Jahrzehnten ist immer wieder mal gewarnt worden, dass die Industrie, und hier speziell die Autoindustrie, ein viel zu hohes Gewicht in der baden-württembergischen Wirtschaft habe. Wohl und Wehe des Südwestens hänge viel zu stark von zu wenigen Branchen ab, hieß es insbesondere in konjunkturell schwierigen Zeiten.

 

Diese Karte zeigt die 50 größten Unternehmen in Baden-Württemberg samt Entwicklung bei Umsatz und Mitarbeitern. Eine größere Version der Karte finden Sie hier.

Als beispielsweise 1992 die Autobranche nach einer ganzen Reihe von guten Jahren „mit Vollgas in die Planke“ krachte, wie das Magazin „Top-Business“ titelte, warnten die Grünen Manfred Renz und Fritz Kuhn in einer Landtagsdebatte, dass der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg nicht nur konjunkturell, sondern auch durch eine Strukturkrise gefährdet sei. Die wirtschaftliche Zukunft liege vornehmlich in der Abfalltechnologie, meinten die Abgeordneten. Als 1993 dann Daimler-Chef Edzard Reuter ankündigte, dass der Autobauer mehr Produktion ins Ausland verlegen werde, warf Heinz Schell, der Geschäftsführer des Verbandes der Metallindustrie, in einem StZ-Interview gar sorgenvoll die Frage auf, „ob Stuttgart das Schicksal des Ruhrgebiets drohen könnte?“

Anders als der Pott, der viel zu lange viel zu sehr auf Kohle und Stahl setzte, ist der Südwesten trotz der großen Abhängigkeit von der Industrie auch heute ein prosperierendes Land und eines der Kraftzentren der deutschen Wirtschaft geblieben. Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) zeigte sich gerade erst in dieser Woche in bester Laune. „Die Industrie in Baden-Württemberg steht hervorragend da“, befand Schmid und wies darauf hin, dass in keinem anderen Bundesland der Anteil der Industrie an der Wertschöpfung so groß sei wie im Südwesten. Auf längere Sicht hat diese Abhängigkeit dem Land bisher nicht geschadet. Im Gegenteil. Auch vom letzten konjunkturellen Einbruch hat sich die Wirtschaft im Südwesten wieder gut erholt (siehe Schaubilder). Anders als 2009, als in der StZ-Rangliste der 50 größten Unternehmen mehrheitlich Umsatzrückgänge ausgewiesen werden mussten, konnten 2014 die meisten dieser großen Unternehmen ihren Umsatz steigern.

Autozulieferer bauen Spitzenposition aus

Nicht nur der unangefochtene Spitzenreiter Daimler hat im vergangenen Jahr kräftig zugelegt. Zählt man Handelskonzerne wie Emil Frey und Dienstleister wie den Prüfkonzern Dekra hinzu, so machen mehr als ein Dutzend der 50 größten Unternehmen Geschäfte mit dem Auto. Gerade im Kreis der Autozulieferer ist in den vergangenen Jahren einiges in Bewegung gekommen. Große Zulieferer aus dem Land bauen ihre Weltmarktposition nicht nur durch organisches Wachstum, sondern auch durch Zukäufe aus.

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So hat etwa der Kolbenhersteller Mahle 2013 den Kühlerfabrikanten Behr übernommen, wodurch Mahle einige Positionen in der Rangliste aufstieg und Behr aus der Liste der 50 umsatzstärksten Unternehmen im Südwesten verschwand, weil die Geschäftszahlen nun in der Mahle-Bilanz enthalten sind.

In diesem Frühjahr übernahm ZF Friedrichshafen den US-Zulieferer TRW Automotive, wodurch das Stiftungsunternehmen vom Bodensee beim Umsatz näher an den Branchenprimus Bosch rückt und im nächsten Jahr Platz vier in der Rangliste der größten Unternehmen im Südwesten einnehmen dürfte. Auch der Ludwigsburger Filterhersteller Mann+Hummel ist in Kauflaune und kündigte erst vor kurzem an, dass er den amerikanischen Wettbewerber Affinia übernehmen will. Dadurch dürfte der Umsatz des Familienunternehmens auf etwa 3,7 Milliarden Euro und die Zahl der Mitarbeiter auf 20 000 steigen.

Ganz ungetrübt sind die Perspektiven der baden-württembergischen Wirtschaft allerdings nicht. Nach einem schwungvollen ersten Halbjahr läuft es gerade auf dem chinesischen Markt, dem zweitwichtigsten Exportland, nicht mehr richtig rund. Im Juli rechnete das Statistische Landesamt für dieses Jahr mit einem preisbereinigten Wirtschaftswachstum von zwei Prozent im Südwesten. Aussagekräftige neue Konjunktursignale dürfte es erst nach den Sommerferien wieder geben. So bereitet derzeit etwa die Stuttgarter Industrie- und Handelskammer ihre nächste Umfrage unter den Unternehmen vor.