Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

In den Charts werden allerdings nicht die meistverkauften Alben abgebildet. Seit 2007 geben sie nicht mehr den absoluten Absatz an Tonträgern der jeweiligen Künstler wieder, sondern den erzielten Umsatz. Kaufen die Deutschen also beispielsweise zweihundert „normale“ CDs des einen Künstlers und hundert doppelt so teure De-luxe-Editionen des anderen Künstlers, erzielen beide den gleichen Umsatz – und werden entsprechend gleichrangig auch in den Charts mitgezählt. Die Charts geben auch keine Auskunft, welche Musik in Deutschland tatsächlich am meisten gehört wird. Bezahlte Online-Streams von Alben – etwa von Kunden, die Flatrate-Abos bei Plattformen wie Spotify abgeschlossen haben – werden seit dem vergangenen Jahr zwar nach einem bestimmten Schlüssel mitgezählt. Wer daneben allerdings was und wie viel bei legalen Quellen wie Youtube oder als illegale Raubkopie hört, bleibt naturgemäß ungezählt.

 

Die tatsächlichen Absatzzahlen werden nur der Musikindustrie zugänglich gemacht, in deren Auftrag die gesamten Daten erhoben werden. Deshalb bleibt leider ebenfalls ein Geheimnis, wie viele Alben man in einer Woche überhaupt verkaufen muss, um in die Top 100 zu kommen. „Pauschal ist das nicht zu sagen“, sagt Giloth. Zahlen will er keine nennen, „weil die verschiedenen Wochen sehr unterschiedliche Verkaufsniveaus haben, weshalb keine sichere Aussage getroffen werden kann“. zu Anders war das bei Manfred Gillig-Degrave, dem früheren Chefredakteur des Branchenfachblatts „Musikwoche“, einem intimen Kenner der Verhältnisse. In schlechten Wochen reichten schon „dreistellige Verkaufszahlen“, um in die Top 100 zu kommen, sagte er vor einigen Jahren.

Nur der Umsatz zählt

Prinzipiell dürfte sich daran nicht allzuviel geändert haben. Der Umsatz, der in Deutschland mit dem Verkauf von Musik gemacht wurde, ist in den vergangenen zwanzig Jahren von 2,7 Milliarden Euro auf knapp über 1,5 Milliarden Euro zurückgegangen. Man kommt heute also mit deutlich weniger verkauften CDs in die Charts als noch vor zwanzig Jahren für die gleiche Chartposition.

Die Absatz- und Umsatzzahlen ihrer Künstler könnten die Musikunternehmen natürlich auch ihren eigenen Abrechnungen entnehmen. Für sie liegt der Erkenntniswert der Charts darin, zu sehen, wie sie im Vergleich zur Konkurrenz dastehen und mit welcher Musik diese punktet. Unstrittig ist in der musiksoziologischen Forschung der auch aus anderen Bestsellerlisten bekannte selbstverstärkende Effekt. Chartplatzierungen beeinflussen, was im Radio gespielt wird und welche Tonträger daraufhin der Einzelhandel in welchen Mengen ordert und wie er sie präsentiert; das alles prägt das Kaufverhalten, von dem wiederum das Plattenlabel profitiert, dessen Reputation bei den Medien und im Handel steigt.

Kritische Beobachter fürchten, dass dies zunehmend zulasten der künstlerischen Vielfalt gehen könnte, weil Erfolgsrezepte schlichtweg kopiert werden. So recht stützen die aktuellen Charts von dieser Woche – siehe Tabelle – diese Vermutung jedoch nicht. Die dort ausgewiesenen Spitzenränge mögen für Kulturpessimisten oder Freunde ambitionierter Popmusik desillusionierend wirken, tatsächlich finden sich in den Top 100 aktuell aber auch sogenannte Kritikerlieblinge (The XX, The Weeknd, Rhonda) und sogar zwei Klassikalben. Die Charts geben eben kein Urteil über Musikästhetik und künstlerische Gestaltungshöhe ab, sondern verzeichnen nur, für welche Musik in Deutschland besonders viel Geld ausgegeben wird.

In den Charts werden allerdings nicht die meistverkauften Alben abgebildet. Seit 2007 geben sie nicht mehr den absoluten Absatz an Tonträgern der jeweiligen Künstler wieder, sondern den erzielten Umsatz. Kaufen die Deutschen also beispielsweise zweihundert „normale“ CDs des einen Künstlers und hundert doppelt so teure De-luxe-Editionen des anderen Künstlers, erzielen beide den gleichen Umsatz – und werden entsprechend gleichrangig auch in den Charts mitgezählt. Die Charts geben auch keine Auskunft, welche Musik in Deutschland tatsächlich am meisten gehört wird. Bezahlte Online-Streams von Alben – etwa von Kunden, die Flatrate-Abos bei Plattformen wie Spotify abgeschlossen haben – werden seit dem vergangenen Jahr zwar nach einem bestimmten Schlüssel mitgezählt. Wer daneben allerdings was und wie viel bei legalen Quellen wie Youtube oder als illegale Raubkopie hört, bleibt naturgemäß ungezählt.

Die tatsächlichen Absatzzahlen werden nur der Musikindustrie zugänglich gemacht, in deren Auftrag die gesamten Daten erhoben werden. Deshalb bleibt leider ebenfalls ein Geheimnis, wie viele Alben man in einer Woche überhaupt verkaufen muss, um in die Top 100 zu kommen. „Pauschal ist das nicht zu sagen“, sagt Giloth. Zahlen will er keine nennen, „weil die verschiedenen Wochen sehr unterschiedliche Verkaufsniveaus haben, weshalb keine sichere Aussage getroffen werden kann“. zu Anders war das bei Manfred Gillig-Degrave, dem früheren Chefredakteur des Branchenfachblatts „Musikwoche“, einem intimen Kenner der Verhältnisse. In schlechten Wochen reichten schon „dreistellige Verkaufszahlen“, um in die Top 100 zu kommen, sagte er vor einigen Jahren.

Nur der Umsatz zählt

Prinzipiell dürfte sich daran nicht allzuviel geändert haben. Der Umsatz, der in Deutschland mit dem Verkauf von Musik gemacht wurde, ist in den vergangenen zwanzig Jahren von 2,7 Milliarden Euro auf knapp über 1,5 Milliarden Euro zurückgegangen. Man kommt heute also mit deutlich weniger verkauften CDs in die Charts als noch vor zwanzig Jahren für die gleiche Chartposition.

Die Absatz- und Umsatzzahlen ihrer Künstler könnten die Musikunternehmen natürlich auch ihren eigenen Abrechnungen entnehmen. Für sie liegt der Erkenntniswert der Charts darin, zu sehen, wie sie im Vergleich zur Konkurrenz dastehen und mit welcher Musik diese punktet. Unstrittig ist in der musiksoziologischen Forschung der auch aus anderen Bestsellerlisten bekannte selbstverstärkende Effekt. Chartplatzierungen beeinflussen, was im Radio gespielt wird und welche Tonträger daraufhin der Einzelhandel in welchen Mengen ordert und wie er sie präsentiert; das alles prägt das Kaufverhalten, von dem wiederum das Plattenlabel profitiert, dessen Reputation bei den Medien und im Handel steigt.

Kritische Beobachter fürchten, dass dies zunehmend zulasten der künstlerischen Vielfalt gehen könnte, weil Erfolgsrezepte schlichtweg kopiert werden. So recht stützen die aktuellen Charts von dieser Woche – siehe Tabelle – diese Vermutung jedoch nicht. Die dort ausgewiesenen Spitzenränge mögen für Kulturpessimisten oder Freunde ambitionierter Popmusik desillusionierend wirken, tatsächlich finden sich in den Top 100 aktuell aber auch sogenannte Kritikerlieblinge (The XX, The Weeknd, Rhonda) und sogar zwei Klassikalben. Die Charts geben eben kein Urteil über Musikästhetik und künstlerische Gestaltungshöhe ab, sondern verzeichnen nur, für welche Musik in Deutschland besonders viel Geld ausgegeben wird.

Dauerhafte Auskunft über den Musikgeschmack der Deutschen geben die Charts ohnehin nicht. Es sind Momentaufnahmen. Und sie zu manipulieren ist ebenso kompliziert, wie in ihnen gezielt einen Platz zu finden. „Einen Charterfolg vorherzusehen“, sagt der Musikzahlenexperte Mathias Giloth aus langjähriger Berufserfahrung, „ist wahnsinnig schwer.“