Mit ihrem Rassismusprojekt betreiben die Dresdner nicht zuletzt Institutionenkritik in eigener Sache. Denn das 1912 gegründete Hygienemuseum wurde nach 1933 zur zentralen Vermittlungsinstanz für die biopolitischen Pläne des NS-Regimes. Während der Kolonialismus der vorhergehenden Jahrhunderte zunächst noch unter dem ethischen Vorwand einer „Zivilisierungsmission“ angetreten war, propagierte Hitler etwas anderes: die Vernichtung fremder „Rassen“, um das eigene „Volk“ im darwinistischen Überlebenskampf an die Spitze zu stellen. Sprachlos steht man heute vor Unterrichtsmaterialien zur „Rassenhygiene“ oder den Tafeln der antisemitischen Wanderausstellung „Blut und Rasse“, die einst in dem Haus am Lingnerplatz konzipiert wurden – als didaktische Beihilfe zum Massenmord.

 

Deckhengste im Dienste des Führers

Die Herkunft des Rassebegriffs aus der Nutztierwirtschaft erreichte in der staatlich organisierten Menschenzucht der Nazis ihren grotesken Höhepunkt. Himmler ermunterte SS-Männer zu Affären außerhalb der bürgerlichen Ehe. Als Deckhengste im Dienste des Führers sollten sie alles, was die arischen Hoden an Genmaterial hergaben, an die blonde deutsche Frau bringen. In die kultur- und medizinhistorische Rückschau arbeiten die Dresdner auch Ton- und Filmbeiträge über zeitgenössische Alltagsdiskriminierung ein. Dokumentationen wie die der afrodeutschen Regisseurin Mo Asumang, die sich unter Neonazis wagte, machen gewiss betroffen. Welche wirtschaftlichen und politischen Strukturen aber den Rassismus des Jahres 2018 tragen, ist in der Geburtsstadt der rechtspopulistischen Pegida-Bewegung nicht zu erfahren. Viele Vorurteile gegenüber dem Anderen, Fremden mögen in Kontinuität zu den Jahrhunderten davor stehen, die sozioökonomische Gemengelage scheint sich mittlerweile aber doch entscheidend gewandelt zu haben.

Das Hygienemuseum gibt klare Antworten, woher die provokante Vorliebe einiger AfD-Vertreter für Ausdrücke wie „völkisch“ oder „Umvolkung“ stammt. Warum aber auch ein Linkspolitiker wie Oskar Lafontaine (noch vor Gründung der Gauland-Truppe) den kontaminierten Begriff „Fremdarbeiter“ in den Mund nahm, wagt in Dresden niemand zu erklären.

Einige künstlerische Arbeiten lockern die geballte Informationsflut des Parcours auf, finden jedoch nur oberflächlichen Anschluss an die thematische Hauptlinie. Yinka Shonibare Nbes Duellantenpaar etwa, das viktorianisch geschnittene Herrenröcke mit afrikanischen Textilien trägt, steht als großer bunter Fremdkörper im Raum. Und so gelingt dem Hygienemuseum zwar die Pflicht der historischen Analyse, an der Kür des Gegenwartstransfers aber scheitert diese gleichwohl lohnenswerte Ausstellung.