Mindestens zwei der vier Angeklagten im ANGP-Prozess am Landgericht stehen offensichtlich finanziell und beruflich mit dem Rücken zur Wand. Sie haben am zweiten Prozesstag am Freitag Angaben zu ihrer Person gemacht.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart/Göppingen - Mindestens zwei der vier Angeklagten im Neonazi-Prozess am Landgericht Ulm stehen finanziell und beruflich mit dem Rücken zur Wand. Daniel R., der Gründungsmitglied der rechteextremistischen Gruppierung „Autonome Nationalisten Göppingen“ (ANGP) gewesen sein soll, und Stephan H., der die Kasse der Gruppe geführt haben soll, haben am zweiten Prozesstag am Freitag Angaben zu ihrer Person gemacht. Mit zwei weiteren Angeklagten müssen sie sich seit Donnerstag wegen der Beteiligung in der kriminellen Vereinigung verantworten, die das Ziel gehabt haben soll, Straftaten zu begehen, um den Nationalsozialismus in Deutschland nach historischem Vorbild wieder zu errichten, so die Anklage. Die als militant und gefährlich geltenden ANGP wurde kurz vor Weihnachten verboten.

 

Der Angeklagte Daniel R. ist seit 2013 arbeitslos

Seiner Aussage zufolge ist der 23 Jahre alte Daniel R. seit dem Jahr 2013 arbeitslos und lebt von Hartz IV. Auch seine Verlobte, mit der er seit zwei Jahren ein kleines Kind hat, ist ohne Job. Der Göppinger bekam nach der 8. Klasse an der Hauptschule ein Abgangszeugnis. Danach scheiterte er zwei Mal mit dem Versuch, den Nachweis über ein erfolgreich absolviertes Berufsvorbereitungsjahr zu erlangen. Einmal sei er wegen der Bahn zu spät zur Prüfung gekommen, beim zweiten Mal sei er zu „unmotiviert“ gewesen, so der Angeklagte. Danach arbeitete er vier Jahre lang als Metallbauer, ehe er entlassen wurde. Der Göppinger vermutet, dass er seinen Job wegen seiner rechtsextremistischen Aktivitäten verloren hat. Er war zeitweilig Landesvorsitzender der rechtsextremen Partei Die Rechte.

Nach seiner Festnahme im Februar 2014 saß der Göppinger dreieinhalb Monate in U-Haft. Dort soll er eine geistige Kehrtwende hingelegt haben. Laut seinem Anwalt distanziert sich Daniel R. mittlerweile vom braunen Gedankengut, hat ausgepackt und beteiligt sich an einem Aussteigerprogramm des Landes.

Eltern haben Angeklagten aus der Wohnung geworfen

Offenbar ist Daniel R. mit seiner Familie zerstritten. Seinen Bruder sehe er nur an Weihnachten und am Geburtstag. Auch mit seinen Eltern habe er kaum Kontakt. Bei seinem Vater und seiner Mutter sei nach mehreren Durchsuchungsaktionen der Polizei der Geduldsfaden gerissen – die Ermittler hatten die Wohnung wegen seiner rechten Aktionen auf den Kopf gestellt. „Nach dem vierten Mal haben mich meine Eltern rausgeschmissen“, sagte der Angeklagte. Nach seinem Ausstieg aus der rechten Szene stehe er nun zwischen den Fronten. Einmal sei ein Großaufgebot der Antifaschisten vor seiner Wohnungstür gestanden und habe fotografiert, so Daniel R.. Ein anderes Mal hätten zwei Sympathisanten der rechten Szene ihn als „Verräter“ beschimpft und gedroht, ihn zusammenzuschlagen. Auch auf einschlägigen Internetseiten der Neonazis wird gegen Daniel R. gehetzt. Die Polizei hat mittlerweile Schutzmaßnahmen eingeleitet, damit der 23-Jährige nicht attackiert wird.

Wie es beruflich für Stephan H weitergeht, ist offen

Auch der mitangeklagte Stephan H., der ebenfalls im Februar 2014 wegen seiner politischen Aktivitäten fünf Wochen in Untersuchungshaft saß, ist mittlerweile auf freiem Fuß. Er soll ebenfalls ausgepackt haben und sich heute von den ANGP distanzieren. Den Fliesenleger aus Eislingen drückt ein enormer Schuldenberg: 130 000 Euro für sein Haus bei Banken und mehr als 150 000 Euro bei seinen Eltern, um sich selbstständig zu machen. Mittlerweile seien aber seine Bandscheiben stark lädiert und seine Knie spielten nicht mehr mit, so der 31-Jährige. Wie es beruflich weitergehen soll, ließ er offen.

Die beiden weiteren Angeklagten kündigten derweil am Freitag an, weder zur Person noch zur Sache aussagen zu wollen. Die Verhandlung wird am Montag mit Daniel R. fortgesetzt, der offenbar zu den Anklagevorwürfen Stellung nehmen möchte.