Beate Zschäpe ist kein Einzelfall. Wissenschaftler haben die weibliche Rolle in der Neonaziszene schon lange analysiert.  

Stuttgart - Schon zu Beginn der 1990er Jahre war Beate Zschäpe "eine der wenigen Frauen in der Szene gewesen, die von ihren männlichen Kameraden als gleichberechtigt akzeptiert wurden", erinnert sich eine frühere Jenaer Sozialarbeiterin. Mit Uwe Mundlos sei die damals 16-Jährige durch rechte Szeneclubs gezogen. Dennoch galt Zschäpe, die nun wegen der rechten Terrormorde als mögliche Mittäterin in Haft sitzt, noch vor wenigen Tagen den meisten Medien als blasse Mitläuferin und unpolitisches Betthäschen. So fand es auch Günther Jauch am treffendsten, seinen Talk mit der Feststellung einzuleiten, sie sei "abwechselnd mit den beiden Männern liiert" gewesen.

 

Es passt halt nicht in das Bild öffentlicher Wahrnehmung, Frauen mit brauner Brutalität in Zusammenhang zu bringen. Denn 95 Prozent der rechtsextremen Straftaten werden von Männern begangen. Auch Führungsposten in der Neonaziszene blieben bisher eine Männerdomäne. Dennoch vertreten die Medien für die Soziologin Michaela Köttig von der Hochschule Frankfurt mit ihrer Sichtweise, "Frauen in der Szene nur als sexualisierte Anhängsel" zu sehen, dieselben Fehler wie der Verfassungsschutz, "der die Aktivitäten rechtsextremer Frauen kaum wahrnimmt".

Frauen haben wichtige soziale Funktionen

Im Fall Zschäpe habe dies zu "tödlichen Folgen" geführt, rügt die Expertin vom Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus in einem offenen Brief. Dabei machten bereits seit den frühen 1990er Jahren Forschungsergebnisse deutlich, "dass Mädchen und Frauen in den unterschiedlichsten Kontexten des rechtsextremen Milieus" auftreten: von rechtsextremen Skinheadgruppen und Kameradschaften bis zu rechtsextremen Parteien. Für die Wissenschaftlerin ist der "moderne Rechtsextremismus ohne das Engagement von Frauen nicht denkbar". Sie hätten in der Szene "wichtige soziale Funktionen", stärkten das Milieu nach innen und verharmlosten es nach außen - etwa am Kinderstand eines rechtsextremen Sommerfestes.

Schon fünf, sechs Jahre beobachten Kenner der rechtsextremen Szene wie Bringfriede Sas von der sächsischen SPD-Initiative "Endstation rechts", dass sich rechtsextrem orientierte Frauen organisieren. Plattformen hierfür bildeten etwa die Gemeinschaft Deutscher Frauen (GdF), die die Frauen in der rechten Szene vernetzen will, oder der Ring nationaler Frauen (RNF). Er bereite rechte Frauen auch auf die Übernahme von Ämtern in der NPD vor. Dies sei kein ostdeutsches Phänomen, warnt die Pädagogin Renate Feldmann. Auch in Baden-Württemberg gebe es viele Aktivitäten.

In Sachsen, wo die NPD schon zehn Jahre im Landtag sitzt, gebe es das erkennbare Bemühungen der Partei, durch mehr Frauen eine höhere Akzeptanz zu erzielen. "Rechte Frauen treten vor allem in der traditionellen Rolle als Mutter und Hausfrau auf. Häufig engagieren sich ehrenamtlich in Kitas, Schulen und Vereinen", so Sas. Hier verbreiteten sie ihr rechtes Gedankengut. Zugleich entwickelten sie "ein neues Selbstbewusstsein als Aktivistin". Vor zwei Jahren gelang es der sächsischen NPD überdies, Frauen in örtliche Schöffenposten zu lancieren.

NPD gibt ihren Frauenanteil mit 27 Prozent an

Die Zahlen über den Frauenanteil in der rechten Szene schwanken bei alledem noch deutlich. Die SPD-Politikerin Margret Seemann, Parlamentarische Staatssekretärin für Frauen und Gleichstellung in Schwerin, schätzt ihn für Mecklenburg- Vorpommern auf knapp 25 Prozent. Für Thüringen gehen Beobachter sogar von gut 30 Prozent weiblichen Mitgliedern in der zumeist militanten freien Kameradschaftsszene aus. Bereits 2004 hatte der "Thüringen-Monitor" der Landesregierung ermittelt, dass mit 26 Prozent mehr weibliche als männliche Umfrageteilnehmer als "ausländerfeindlich" gelten.

Die Soziologin Gabi Elverich, wissenschaftliche Referentin in der Außenstelle Halle (Saale) des Deutschen Jugendinstitutes, schätzt sogar bundesweit die Frauenquote im "Bereich rechtsradikaler Cliquen und Organisationen, der sich durch lockerere und netzwerkartige Strukturen auszeichnet" auf 25 bis 33 Prozent. Diese Spannbreite führt sie auf den unterschiedlichen Charakter der Gruppierungen zurück. Zudem beruhten diese Zahlen auf Beobachtungen und Schätzungen von Insidern der Szene, da der geringere Organisierungsgrad in diesem Bereich eine systematische Bestandsaufnahme erschwere.

Bezüglich des Wahlverhaltens spricht Elverich von einer "kontinuierlichen Größe", wonach extrem rechte Parteien im Schnitt zu einem Drittel von Frauen gewählt würden. Diese Zahlen hätten die Landtagswahlen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern bestätigt. So wählten im Nordosten erst unlängst wieder mehr als zehn Prozent der unter 30 Jahre alten Frauen die NPD. Die Partei selbst gibt ihren Frauenanteil mit gut 27 Prozent an.