Ein neues Verfahren aus China macht die energiesparende Verwertung von Polyethylen-Abfällen möglich. Wissenschaftler wollen die Methode auch bei anderen Kunststoffen einsetzen.

Stuttgart - Mehr als hundert Millionen Tonnen Polyethylen und ähnliche Kunststoffe produziert die Industrie weltweit jedes Jahr aus Erdöl. Nach ihrer Verwendung werden die daraus hergestellten Plastikbeutel und -flaschen zu Müll, der die Umwelt verschmutzt – oder bei der Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage zumindest noch Strom und Wärme liefert. Aus Polyethylen lassen sich aber auch Treibstoffe und wichtige Rohstoffe für die chemische Industrie herstellen, die normalerweise direkt aus Erdöl produziert werden. Allerdings passiert das bislang meist bei Temperaturen über 400 Grad Celsius, verbraucht daher viel Energie und ist entsprechend teuer.

 

In der Zeitschrift „Science Advances“ präsentieren Zheng Huang von der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai und Zhibin Guan von der University of California in Irvine nun gemeinsam mit drei weiteren Kollegen ein deutlich kostengünstigeres Verfahren, das bei moderaten 175 Grad Celsius funktioniert.

Lange Molekülketten sind stabil

Polyethylen besteht wie andere Kunststoffe auch aus vielen identischen kleinen Einheiten, die sich miteinander zu langen Ketten verbinden, die Chemiker als Polymere bezeichnen. Besonders Polyethylen und nahe verwandte Kunststoffe wie Polypropylen sind sehr stabil und werden deshalb in der Natur kaum abgebaut. Genau deshalb schadet Plastikmüll, der zu mehr als 60 Prozent aus Polyethylenen besteht, der Umwelt massiv und sollte daher nach seiner Verwendung verwertet werden.

Um daraus andere Stoffe herzustellen, müssen die langen Polymere allerdings in kleinere Einheiten zerlegt werden. Das geschieht bislang mit erheblichem Energieaufwand bei hohen Temperaturen. Es sei denn, die Forscher nutzen ein Verfahren, das eigentlich für die Grundbausteine des Polyethylens entwickelt wurde, die sogenannten Alkene. Dabei werden zum Beispiel zwei Alkene mit jeweils drei Kohlenstoff-Atomen in ein Alken mit zwei und ein weiteres mit vier Kohlenstoff-Atomen umgebaut. Dieses 2005 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete „Alken-Metathese“-Verfahren setzt die chemische Industrie bereits für einige Produktionsprozesse ein.

Zheng Huang, Zhibin Guan und ihre Kollegen übertrugen dieses bis jetzt nur für kleine Einheiten verwendete Verfahren jetzt auf die langen Polyethylen-Ketten. Als Zutaten brauchen sie Petrolether – eine preiswerte Mischung aus Kohlenwasserstoffen, die im Prinzip nichts anderes als extrem kurze Polyethylene sind. Während die Kunststoffe aus Ketten mit ein paar Hunderttausend hintereinander aufgereihten Kohlenstoffatomen bestehen, enthalten die Verbindungen im Petrolether meist nur fünf oder sechs Kohlenstoffatome.

Katalysatoren beschleunigen die Reaktion

Für die Alken-Metathese aktivieren die Forscher Polyethylen und Petrolether, indem sie mit einer bekannten Methode und mit Hilfe eines Iridium-Katalysators Wasserstoff-Atome entfernen. Katalysatoren beschleunigen bestimmte chemische Reaktionen. Ein weiterer Katalysator aus Rhenium- und Aluminiumoxid startet anschließend die Umordnung, bei der die langen Polyethylen-Ketten ein wenig kürzer und die kurzen Petrolether-Ketten ein wenig länger werden. Da die Forscher viel mehr Petrolether als Polymere einsetzen, durchlaufen die Polyethylen-Ketten diese Reaktion sehr viel häufiger als die kleinen Einheiten und werden so dramatisch verkürzt. Nach einem Tag bei 175 Grad Celsius sind die langen Ketten klein gehackt. Am Ende wird der zur Aktivierung entfernte Wasserstoff wieder zugegeben.

Dabei erhalten die Forscher aus der Mischung von Polyethylen in Form von Lebensmittelfolien oder billigen Flaschen und Petrolether am Ende eine Flüssigkeit mit kürzeren Ketten, die neun bis 22 Kohlenstoff-Atome lang sind und die als Dieselkraftstoff einsetzbar sind. Daneben entstehen kleinere Mengen einer wachsweichen Substanz. Diese Paraffine enthalten mehr als 20 Kohlenstoff-Atome. Aus ihnen lässt sich von Kerzen bis zu Salben und von Isolierungen für Kabel bis zu Imprägniermitteln für Papier und Textilien eine ganze Reihe von Produkten herstellen. Angesichts der breiten Palette verschiedener Anwendungen haben die Forscher gute Gründe, ihr bislang nur an Polyethylen-Produkten getestetes Verfahren für anderen Kunststoffmüll weiterzuentwickeln.