Im langen Streit über das Atom-Abkommen soll der US-Präsident im Weißen Haus einen Wutanfall erlitten haben – doch jetzt hat Donald Trump sich entschieden: Er will den Vertrag nicht aufkündigen, aber der US-Kongress soll ihn neu verhandeln.

Washington - Die angekündigte Grundsatzrede dauerte keine Viertelstunde. Aber mit Dramatik und Pathos sparte Donald Trump nicht. „Die Geschichte hat gezeigt: Je länger wir eine Bedrohung ignorieren, desto größer wird diese Bedrohung“, leitete der US-Präsident am Freitag seine Ausführungen über den Iran ein, um dann eine Linie von der Geiselnahme in der Teheraner US-Botschaft 1979 bis zum aktuellen Terror der Hisbollah im Libanon zu ziehen. Sämtliche Übeltaten schrieb er einem „fanatischen und radikalen Regime“ zu, das Terror verbreite und dem er sich nun entgegenstellen werde.

 

Dass die Regierung in Teheran seit den Tagen von Ayatollah Chomeini mehrfach gewechselt hat und Hardliner und Moderate heftig um den Kurs des Landes kämpfen, hatte in Trumps Darstellung keinen Platz. Dem US-Präsidenten ging es in der Rede offensichtlich darum, seine rechte Basis bei Laune zu halten. Dazu eignet sich die Empörung über seinen Vorgänger Barack Obama ausgezeichnet, der mit dieser „islamischen Diktatur“ das Atom-Abkommen und damit den „schlechtesten Deal aller Zeiten“ geschlossen habe.

Im Weißen Haus wurde heftig gestritten

Die wilde Rhetorik sollte wohl auch überdecken, dass Trump von seinem ursprünglichen Plan, das Abkommen einseitig aufzukündigen, nach intensiven Debatten im Weißen Haus Abstand genommen hat. Nicht nur die übrigen Vertragspartner China, Russland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland warnten eindringlich vor einem solchen Schritt, der Teheran einen perfekten Anlass zur Wiederaufnahme seines Atomprogramms liefern würde. Auch Außenminister Rex Tillerson und Verteidigungsminister James Mattis nahmen Trump dermaßen ins Gebet, dass dieser nach US-Medienberichten hinter verschlossenen Türen einen Wutausbruch erlitt.

Die abgemilderte Strategie sieht nun folgendermaßen aus: Trump erklärte am Freitag, er werde die Bestätigung verweigern, dass der Iran seine Verpflichtungen aus dem Abkommen einhält. Diese Bestätigung ist jedoch nicht Teil des Vertrags, sondern wird vom amerikanischen Kongress vierteljährlich verlangt. Dieser könnte nun entweder gar nichts tun – oder die Sanktionen sofort wieder aufleben und damit das Abkommen platzen lassen. Doch das empfahl Trump nicht. Stattdessen forderte er ein neues Abkommen, das die iranischen Aktivitäten jenseits des Atomprogramms – vor allem die Tests von Mittelstreckenraketen und die Unterstützung für ausländische Terrorgruppen – reglementiert. Außerdem solle die bisherige Befristung der Atom-Auflagen aufgehoben werden.

Trump widerspricht Tillerson offen

Ob sich im amerikanischen Kongress für einen solchen Vorstoß eine Mehrheit findet, ist indes höchst unsicher. Noch unwahrscheinlicher ist es, dass der Iran bereit ist, zusätzliche Auflagen ohne Gegenleistung zu akzeptieren. Im Gegenteil dürften in dem Land durch den amerikanischen Alleingang eher die Hardliner Oberwasser bekommen. Auch die europäischen Verbündeten reagierten ablehnend. Kanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Emmanuel Macron und die britische Premierministerin Theresa May zeigten sich in einer ersten Stellungnahme „besorgt“.

Nicht nur bei den Alliierten verursacht Trump massive Verstimmungen. Auch innerhalb der US-Regierung sind die Dissonanzen unüberhörbar. So hatte Außenminister Rex Tillerson vor Journalisten am Donnerstag ausdrücklich versichert, der Iran verstoße nicht gegen die Auflagen des Abkommens für sein Atomprogramm. Allerdings werde das Regime „dem Geist“ des Deals nicht gerecht. Trump behauptete nun in seiner Rede, es gebe Belege für „mehrfache Verstöße“ Teherans. Dieser Sicht widersprechen unabhängige Experten entschieden.

Die Zukunft des Abkommens ist unklar

Auch gehen die Darstellungen darüber auseinander, was passiert, wenn das von Trump gewünschte Zusatzabkommen vom Kongress oder den Alliierten abgelehnt wird. „Wenn wir keine Einigung erzielen, wird das Abkommen gekündigt“, drohte Trump. Tillerson hatte stattdessen erklärt, in diesem Fall gelte das Abkommen einfach weiter.

Erhebliche Konsequenzen könnten auch die Unstimmigkeiten in der US-Regierung bei der Qualifizierung der iranischen Revolutionsgarden haben. Tillerson hat ausdrücklich betont, die einflussreichen paramilitärischen Einheiten würden formal nicht als Terrororganisation bezeichnet, weil sie sonst zum Kriegsgegner der US-Truppen würden, obwohl sie in Syrien und im Nordirak den Islamischen Staat bekämpfen. Trump wies am Freitag allerdings seinen Finanzminister Steven Mnuchin an, Sanktionen gegen die Garden zu verhängen. In dem neuen Dekret wird ausdrücklich auf Anti-Terror-Gesetze Bezug genommen.