Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Wenn man als Erziehungswissenschaftler und Streetworker wie David Aufsess aus Bremen kommt, kann man dazu viel erzählen. Der Verfassungsschutz rechnet die Hansestadt zu den Salafistenhochburgen. „Jugendliche haben Interesse, sich auseinanderzusetzen“, sagt Aufsess. Sie stünden als Menschen, denen ihre Religion wichtig ist, ebenfalls selbst unter dem Druck, sich zu positionieren. Gleichzeitig litten sie aber auch unter der Wahrnehmung der anderen, die in ihnen nur potenzielle Gefährder sehen. Das macht die Suche nach der eigenen Identität und Zugehörigkeit nicht einfacher.

 

Aufsess arbeitet im Verein für akzeptierende Jugendarbeit. Das Modellprojekt heißt Jamil. Ursprünglich waren in den Rechtsextremismus abgewanderte Jugendliche dessen Klientel. Schon Anfang der 90er Jahre galt: Wir begegnen euch so, wie ihr seid. Für den Streetworker ist „Interesse die erste Form der Wertschätzung“. Sein Team geht dorthin, wo die Jugendlichen abhängen und für viele nur die sind, „die Lärm und Dreck machen“. Schon nach ein paar Wochen der Beziehungsarbeit, wie Aufsess die gemeinsamen Freizeitunternehmungen nennt, landet man bei den ersten lebenspraktischen Fragen – dem Stress in der Familie oder beim ersten Berufspraktikum. „Nach ein, zwei Jahren kann man dann an den Einstellungen arbeiten.“ Prävention ist Vertrauensaufbau. „Wer mich kennt, darf alles zu mir sagen“, ist auch Robert Erb überzeugt. Vom saarländischen Institut für präventives Handeln aus schult er Lehrer.

Zum Fußballspielen gehören Regeln

Ein Beispiel aus Aufsess’ Bremer Alltag: Freitags wird Fußball gespielt. Aber genauso regelmäßig verschwinden sechs von elf Spielern während des Spiels, um zu beten. Die anderen werden bedrängt, doch mitzukommen. Wenn Aufsess dann eingreift, ist das Gespräch schnell bei dem Vorwurf: „Ihr wollt uns das Beten verbieten.“ Darauf lässt er sich nicht ein. Er argumentiert mit den gemeinsamen Regeln, die für alle Freizeitangebote gelten: Der Ball wird nicht an die Decke gekickt, hinterher wird geputzt und gekickt wird nur, wenn alle da sind. „Der Konflikt wurde beigelegt“, sagt Aufsess. In Gesprächen, die man eben aushalten müsse. Der Kompass für sein Tun heißt für Aufsess immer soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Menschenrechte.

Die Schule ist nach Überzeugung des Islam- und Sozialwissenschaftlers Götz Nordbruch der Ort, wo diese Gespräche geführt und nicht vermieden werden sollten. Viele Initiativen zielen darauf. „Achtung“ etwa, das Projekt des Polizeipräsidiums Ludwigsburg, setzt in der Schule an. Im Moment prüft das baden-württembergische Innenministerium, ob „Achtung“ landesweit angeboten werden soll.