Die Koalition und auch die Länder sind zerstritten. Die SPD lässt einen einheitlichen Erbschaftsteuersatz auf alle Vermögensarten prüfen.

Berlin - Nach den Plänen der großen Koalition sollte es schnell gehen: In dieser Woche wollten Union und SPD den Gesetzentwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Erbschaftsteuerreform verabschieden. An diesem Mittwoch sollte der Finanzausschuss des Bundestages die letzten Änderungen vornehmen, für den Freitag war die abschließende Lesung im Bundestag vorgesehen. Doch es kommt anders. „Das Gesetz wird nicht vor Januar 2016 in Kraft treten“, sagte Christian von Stetten, CDU-Bundestagsabgeordneter und Berichterstatter der Unionsfraktion zur Erbschaftsteuer. Seine Worte machen deutlich, dass sich die Diskussionen bis ins nächste Jahr hinziehen könnten. „Der Zeitraum für die Beratungen ist auf unbestimmte Zeit verlängert worden“, sagte von Stetten der Stuttgarter Zeitung. Auch in Kreisen der Länder wird bestätigt, dass erst im nächsten Jahr mit Entscheidungen zu rechnen ist.

 

In den Fraktionsführungen besteht zwar noch ein kleiner Funke Hoffnung, dass der Bundestag im Dezember das Gesetz verabschiedet, aber nach den regulären Beratungsfristen käme das für die letzte Sitzung des Bundesrates am 18. Dezember zu spät. Die Länderkammer würde dann 2016 entscheiden.

Auch für Handwerksbetriebe von Bedeutung

Das ist nicht nur für die großen Familienunternehmen von Bedeutung, sondern auch für Handwerksbetriebe. Das Verfassungsgericht verlangt vom Gesetzgeber, Steuerprivilegien für Familienunternehmen nach strengeren Kriterien zu gewähren. Bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes gelten die alten Regeln. Nach dem Vorschlag der Bundesregierung sollen Verschonungsregeln für Kleinbetriebe bis 15 Beschäftigte verschärft werden. Nach dem geltenden Recht sind Inhaber von Betrieben bis 20 Mitarbeiter von der Pflicht befreit, dass sie für die Steuerbefreiung die Lohnsumme nachweisen müssen. Nach Schäubles Gesetzentwurf würde dieses Privileg nur noch für Betriebe bis drei Beschäftigte gelten. Bei Betrieben von vier bis 15 Arbeitnehmern greift ein Stufenmodell.

Offenbar gibt es einige Unternehmer mit Kleinbetrieben, die sich überlegen, Übertragungen nach dem geltenden Recht vorzunehmen. Da bis zum Jahresende nur noch schwer Notartermine zu bekommen sind, gerieten bei einem schnellen Gesetzgebungsverfahren manche Betroffene unter Zeitdruck. Wegen der schwierigen Verhandlungen erhalten sie Aufschub.

Der Gesetzgeber muss bis 30. Juni ein Gesetz vorlegen

Mit den Verzögerungen rückt auch die vom Verfassungsgericht vorgegebene Frist in den Fokus. Karlsruhe hat dem Gesetzgeber bis zum 30. Juni 2016 Zeit gegeben, ein neues Gesetz vorzulegen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) drückte daraufhin aufs Tempo und legte im Frühjahr Eckpunkte für ein Gesetz vor. Im Juli brachte das Kabinett den Gesetzentwurf auf den Weg, der neben der Verschärfung der Bagatellgrenze für Kleinbetriebe strengere Regeln für große Familienunternehmen vorsieht. Nach Schäubles Modell kann Betriebsvermögen bis zu einem Schwellenwert von 26 Millionen Euro pro Erben steuerlich begünstigt werden. Liegen enge gesellschaftsrechtliche Bindungen der Erben an das Unternehmen vor, erhöht sich der Wert auf 52 Millionen Euro. Die Wirtschaftsverbände argumentieren, dass trotz hoher Freigrenzen auf viele Mittelständler Belastungen zukämen.

Nicht nur zwischen Bund und Ländern gibt es unterschiedliche Meinungen zum Gesetzentwurf. Auch innerhalb der großen Koalition herrscht Uneinigkeit. Als das Bundeskabinett im Juli die Gesetzespläne beriet, gaben die Minister der CSU ihre Bedenken zu Protokoll. Doch auch in der SPD wurde Kritik laut. Damals ging unter, dass neben den CSU-Ministern auch Regierungsmitglieder der SPD Nachbesserungswünsche im Kabinett angemeldet hatten. Gegenwind kommt darüber hinaus von den Ländern. Die Mehrheit der Länder mit SPD- und Grünen-Beteiligung hält Schäubles Gesetzentwurf in mehreren Punkten für zu wirtschaftsfreundlich. Der Wirtschaftsflügel der Union warnt dagegen vor Gefahren für den Mittelstand. „Wir werden dafür sorgen, dass die großen Familienunternehmen das Land nicht verlassen“, sagte der Parlamentarier von Stetten, der Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand von CDU/CSU ist.

Der SPD-Finanzpolitiker Lothar Binding sagte, seine Fraktion habe das Bundesfinanzministerium gebeten, andere Modelle zur Erbschaftsteuer durchzurechnen. Dazu gehört auch die Variante, einen niedrigen einheitlichen Erbschaftsteuersatz auf alle Vermögensarten einzuführen. Experten sprechen von einer Flat Tax. „Wir wollen sicher sein, dass wir nicht eine gute Lösung außer Acht lassen“, sagte Binding. Die SPD will die Modelle mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vergleichen. Binding betonte jedoch, dass der Gesetzentwurf nach wie vor Basis der Beratungen sei.